Dass Polizei etwas mit Innerer Sicherheit zu tun hat, ist jedem geläufig; vielleicht auch dass Polizei ein unverzichtbares Instrument für die Innere Sicherheit ist - neben anderen. Wissen wir auch, dass unser Staat einen Auftrag zur Inneren Sicherheit hat und was heißt überhaupt „Innere Sicherheit“?

Innere Sicherheit bedeutet - auf eine Kurzformel gebracht:

Rechtsgüterschutz, Rechtsdurchsetzung und Wahrung inneren Friedens in unserem Staat und Gemeinwesen.

In einer langen, über Jahrhunderte dauernden Entwicklung gegen willkürliche Fehde und Gewalt Einzelner gegen andere haben Reichs- und Landesgewalt mehr und mehr ein Gewaltmonopol für sich beansprucht und durchgesetzt. Innere Sicherheit war für sie zu einer wesentlichen und unaufgebbaren - „systemrelevanten“ - Aufgabe geworden. Das gilt auch für unseren Staat, die Bundesrepublik Deutschland - das ist bislang unangefochtener Konsens. Doch der Staat muss mit seinen Einrichtungen diese Aufgabe und diesen Auftrag auch gewährleisten, soweit wir - über unsere demokratisch gewählten gesetzgebenden Körperschaften - ihm dazu die finanziellen, personellen und sächlichen Mittel zur Verfügung stellen. Von daher steht die Gewährleistung der Inneren Sicherheit unter einem parlamentarischen Vorbehalt. Es gibt einen weiteren Vorbehalt, eine Ausnahme des faktischen Könnens: Kann der Staat oder die staatliche Gewalt bei bestem Willen und bester Ausrüstung in einer aktuellen Störung diese nicht beseitigen oder gar bei drohender Gefahr gegen Leib und Leben nicht rechtzeitig zu Stelle sein, tritt staatliche und auch polizeiliche Macht auf der Stelle, im zweiten Falle steht jedem Einzelnen das archaische Recht der Selbstverteidigung im Rahmen der Notwehr oder Nothilfe/Notstand zu (§§ 32, 34 StGB).

Bereits 1934 hatte sich der Polizeipräsident Düsseldorf um die Pflege der Tradition in der Polizei bemüht, wie aus dem erhaltenen Kommandobefehl Nr. 94 vom 18.10.1934 hervorgeht, der auf eine Verfügung des Polizeipräsidenten - S.1 -1001 - vom 9.10.1934 (Nachrichten-Bl. Nr. 67) Bezug nahm. Es ging dabei um die Traditions-Pflege der Landespolizei. Die Verfügung war allen in Betracht kommenden Beamten bekanntzugeben; entsprechende Unterlagen waren dem Kommando alsbald vorzulegen. Im Jahr 1936 teilte der Reichs- und Preuß. Minister des Innern mit Erlass vom 18.2.1936 – III S I a 1 Nr. 21/36 - den nachgeordneten Polizeibehörden mit, dass er beabsichtige das Anliegen der „Traditionsschaffung der Schutzpolizei“ (einschl. der Sicherheitspolizei) aufzugreifen. Sie sollte den Standorten überlassen werden. Die Traditionsschaffung sollte umfassen:

  1. einen kurzen geschichtlichen Werdegang der uniformierten Polizei des Standorts; dazu Bildmaterial über die Entwicklung der Uniformen

  2. genauere Darstellung mit Bildern, Artikel aus Zeitschriften, amtliches Material von besonderen Ereignissen für die Schutzpolizei, insbesondere der Kampfhandlungen, an denen die uniformierte Polizei teilgenommen hat

  3. Darstellung hervorragender Leistungen und Einzeltaten uniformierter Polizeibeamter, die eine gesteigerte Pflichtauffassung erkennen lassen oder bei dem Beamte ihr Leben oder ihre Gesundheit im Dienst der Volksgemeinschaft verloren haben

  4. Namen der im Weltkrieg und in Kampfhandlungen der Nachkriegszeit Gefallenen der uniformierten Polizei und die Namen derer, die in pflichtreuer Ausübung des Dienstes ihr Leben für die Volksgemeinschaft verloren haben

  5. Namen und Bilder der Inhaber des Blutordens und des goldenen Parteiabzeichens in der Schutzpolizei. Er bitte hierzu um Stellungnahmen. Der Anhörung der Mittel- und Ortsbehörden sollte ein entsprechender Erlass über die Durchführung folgen.

Über den Fortgang dieser Polizei-Traditionspflege in Düsseldorf haben sich weitere Unterlagen noch nicht aufgefunden.Tatsache ist jedoch, dass in Düsseldorf alle Reviere aufgefordert waren, die Geschichte ihres Reviers darzustellen. Das ist in den Jahren 1936/37 - mit größerem oder geringerem Eifer - erfolgt. Bis vor kurzem waren nur die Geschichten der Reviere Eller, Oberbilk und Kaiserswerth aufgefunden worden. Ein Verbleib der übrigen blieb unbekannt. Doch am 15.9.2016 teilte das Düsseldorfer Stadtarchiv mit, dass dort ein Satz der Ausfertigung der Geschichte aller Polizeireviere 1-19 aufgefunden wurde, die der Polizeipräsident Düsseldorf am 7.2.1939 dorthin übersandt hatte. Der Verein besitzt inzwischen Kopien aller Revier-Geschichten. Sie sind in Qualität und Umfang sehr unterschiedlich, wie am Beispiel der nachstehend zum Herunterladen bereitgestellten Revier-Geschichten ersehen werden kann. Der Verein „Geschichte am Jürgensplatz e.V.“ beabsichtigt, diese Revier-Geschichten nach wissenschaftlichem Standard überarbeiten und erforderlichenfalls ergänzen zu lassen, auch bis zur Umorganisation von der Revier- in die Schutzbereich-Gliederung im Zusammenhang mit der Einführung des flächendeckenden motorisierten Streifendienstes 1960 fortzuführen und dann - evtl. in einer Schriftenreihe - zu publizieren. Diesen Arbeiten sollen die alten Revier-Geschichten als geschichtliches Zeitdokument (gegebenenfalls mit einem kurzen einführenden Kommentar) im Anhang beigefügt werden.


Einen Anfang hatte der pensionierte Polizei-Kollege Hardy Krüger mit der Geschichte der „Polizei in und um Kaiserswerth. Ein Rück- und Überblick über 200 Jahre Polizeigeschichte in Düsseldorfs Norden.“ gemacht, die 2015 erschienen ist (s.u. unter Veröffentlichungen).

Wir würden uns freuen, wenn sich Heimat-Forscher, Studenten, aktive oder pensionierte Polizisten oder sonstige Interessierte, die eine solche ehrenamtliche Aufgabe übernehmen wollen, bei uns melden würden.

•   Geschichte des Polizei-Revier Eller. PDF
•   Geschichte des Polizei-Revier Oberbilk. PDF
•   Geschichte des Polizei-Revier Kaiserswerth. PDF

Hans Langels

Hans Langels

Polizeipräsident vom
1. Juli 1926 bis 28. Februar 1933

 

Vita Hans Langels

 

Foto: Sammlung Mahn- und Gedenkstätte, Düsseldorf

 

  01 fritz weitzel

Fritz Weitzel

Polizeipräsident vom
01. Mai 1933
bis 19. Juni 1940
02 august korreng

August Korreng

Polizeipräsident vom
12. Februar 1941
  03 otto goetsch

Otto Goetsch

Polizeipräsident vom
18. Mai 1945 – 20. August 1945
04 august rost

August Rost

14.Juni 1945 Kommandant der Polizei
Vom 21. August 1945 bis 04. Juni 1946
kommissarischer Polizeipräsident
  05 wilhelm heck

Wilhelm Heck

Polizeipräsident von
Juni 1946 – 12. September 1947
06 leonhardt simons

Leonhardt Simons

Polizeipräsident vom September 1947
bis 01. Oktober 1953;
blieb bis 31. Juli 1954 kommissarisch im Amt
  07 herbert klein

Herbert Klein

Polizeipräsident vom
28. Oktober 1954 – 31. Juni 1968
08 horst jaeger

Horst Jäger

Polizeipräsident vom
01. Juli 1968 bis 01. Juli 1981
  09 hans lisken

Hans Lisken

Polizeipräsident vom
08. Juli 1981 bis 08. Mai 1996
10 rainer wittmann

Rainer Wittmann

Polizeipräsident vom
08. Mai 1996 bis 28. Februar 2000
  11 michael dybowski

Michael Dybowski

Polizeipräsident vom
28. Februar 2000 bis 2006
Herbert Schenkelberg

Herbert Schenkelberg

Polizeipräsident von
2006 bis Februar 2014
   Norbert Wesseler

Norbert Wesseler

 

Polizeipräsident von Februar 2014 bis Februar 2023

 Miriam Brauns

Miriam Brauns

Polizeipräsidentin seit dem 01.12.2023
     

In zeitgenössischen Akten der Düsseldorfer Polizei fanden sich Hinweise darauf, dass die Personalakten der Beamten der Schutzpolizei Düsseldorf in einem 'Ausweichlager' in Frille an der Weser verwahrt wurden. Dies geschah ab Herbst 1944, nachdem die Alliierten die Luftangriffe auf Düsseldorf massiert hatten. Das kleine Dörfchen Frille, heute am äußersten nordöstlichen Zipfel von NRW gelegen, erschien offensichtlich sicher zu sein.

In einer Akte, die sich mit Polizeireservisten beschäftigt, fand sich jetzt die Bestätigung:

Insgesamt 16 Kisten mit Personalakten und Formularen wurden von Düsseldorf nach Frille gebracht und dort unter dem Kommando des Hauptmanns d.Sch. d.Res. Moriske bewacht und verwaltet. In der Akte finden sich auch Funksprüche und Vermerke, dass die Akten mittels Kurier nach Düsseldorf geholt wurden, wenn hier Eintragungen vorzunehmen waren. Der letzte Transport hat demnach am 26. Februar 1945 stattgefunden.

Am Kriegsende sollten die Akten "durch Feindeinwirkung vernichtet" worden sein. In der Tat wurde im Jahr 1945 der Ruhrkessel von den Alliierten an der Weser geschlossen. Ob die Akten wirklich durch die Alliierten vernichtet worden sind oder ob sie vielleicht durch das Bewachungskommando selbst vernichtet wurden, steht nicht fest. Möglich ist auch, dass noch Originalakten erhalten sind, die seit 60 Jahren in einem Keller- oder Speicherraum liegen.

Um dies abzuklären, habe ich mich an Ulf Vinke, einen Redakteur des Mindener Tageblatts gewandt. Dieser wiederum hat sich in Frille mit der örtlichen Heimatpflegerin in Verbindung gesetzt und diese gebeten, unsere Suche zu unterstützen. Am 22. Januar 2005 erschien ein entsprechender Artikel in der örtlichen Presse. Nach ersten Angaben von Zeitzeugen konnte zumindest schon einmal der Ort des 'Ausweichlagers' in Frille lokalisiert werden. Die Akten waren im Saal einer Gaststätte untergebracht. Auch der Name des Kommandoführers (Hauptmann Moriske) war älteren Bewohnern von Frille noch geläufig.

frilleFrille - Foto: Vinke

Auch wenn es nur wenig Hoffnung gibt, noch Personalakten in Frille zu finden, wäre es schon eine kleine Sensation, wenn nach über 60 Jahren Originale auftauchen würden. Ein Vergleich mit den nach dem Krieg rekonstruierten Akten würde sich auf jeden Fall lohnen und könnte möglicherweise so manche Überraschung zu Tage fördern.

Die Spurensuche in Frille wird also weitergehen.

Die Ereignisse des 16. und 17. April 1945 in Düsseldorf "Aktion Rheinland"

Am 16. und 17. April eines jeden Jahres jährt sich der Tag des Kriegsendes für Düsseldorf. Mit diesem Datum ist auch die unsinnige Erschießung von fünf Männern verbunden, deren Ziel es war, die Stadt Düsseldorf kampflos an die alliierten Truppen zu übergeben und unzähligen Düsseldorfer Bürgerinnen und Bürgern weiteres Leid und Elend zu ersparen.

Die Geschichte der "Aktion Rheinland" ist bekannt. Am 16. April 1945 wurde der Düsseldorfer Polizeipräsident, SS-Brigadeführer August Korreng, festgenommen. Die Stadt Düsseldorf wurde am 17. April durch Dr. August Wiedenhofen und Aloys Odenthal kampflos an die amerikanischen Truppen übergeben. Noch in der Nacht vom 16. auf den 17. April wurden der Kommandeur der Düsseldorfer Schutzpolizei, Oberstleutnant der Schutzpolizei Franz Jürgens und die zivilen Widerstandskämpfer Theodor Andresen, Karl Kleppe, Josef Knab und Hermann Weill, die auch an der Aktion beteiligt waren, nach Standgerichtsverfahren erschossen.

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von links nach rechts: Oberstleutnant Franz Jürgens, Theodor Andresen, Karl Kleppe

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von links nach rechts:  Josef Knab, Hermann Weill


Der Ausweis, den August Wiedenhofen und Aloys Odenthal erhalten hatten, um sich gegenüber den alliierten Truppen als Unterhändler für die Stadt Düsseldorf zu legitimieren, wurde im Vorzimmer des damaligen stellvertretenden Polizeipräsidenten Dr. Dr. Otto Goetsch geschrieben, von ihm mit dem Dienstsiegel des Polizeipräsidiums Düsseldorf versehen und von Oberstleutnant Franz Jürgens unterschrieben.

Die Gruppen um die Rechtsanwälte Dr. Richard Müller und Dr. August Wiedenhofen

Neben der Antifaschistischen Kampforganisation (Antifako) um Hermann Smeets, die insbesondere durch Flugblattaktionen bekannt geworden ist, gab es in Düsseldorf noch mehrere Widerstandsgruppen gegen die nationalsozialistischen Machthaber. So trafen sich zum Beispiel im Stadtteil Gerresheim schon seit Ende der dreißiger Jahre der Architekt Aloys Odenthal und Theodor Winkens. Bei ihren Treffen sprachen die beiden Männer vertraulich über die politische Lage. Beide waren dem Nationalsozialismus gegenüber abgeneigt.

Theodor Winkens, geboren am 12.11.1897 in Wickrath (Kreis Grevenbroich), hatte nach der Volksschule eine Bäcker- und Konditorlehre absolviert. Nach einer schweren Verletzung, die er als Soldat im Ersten Weltkrieg erlitten hatte, wurde er 1915 aus der Armee entlassen. Bis 1926 arbeitete er in seinem erlernten Beruf. Ab dem 1. Januar 1926 fand er dann eine Anstellung als Amtsgehilfe bei der Regierung in Düsseldorf. Über eine Verwendung beim Oberpräsidium in Koblenz kam er am 31.8.1931 nach Düsseldorf zurück und wurde hier Amtsgehilfe beim Polizeipräsidium.

Theodor Winkens

Theodor Winkens

Winkens war mit einer Jüdin verheiratet. Da er sich nicht von ihr scheiden lassen wollte, wurde er am 31.8.1937 aufgrund des Gesetzes "zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aus dem Polizeidienst entlassen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Winkens wieder beim Polizeipräsidium Düsseldorf als Angestellter verwendet. Winkens verstarb im Jahre 1967.

Der Architekt Aloys Odenthal stammte aus einer zutiefst religiösen Familie aus dem Düsseldorfer Stadtteil Gerresheimer und handelte allein aus einer christlichen Überzeugung heraus. Bereits im Jahre 1933 hatte er mehrfach Hitlers Buch "Mein Kampf" gelesen und dabei festgestellt, dass das Programm der Nazis sich nicht mit seinen christlichen Vorstellungen vereinbaren ließ. Insbesondere war er von Hitlers Ansichten über die Juden schockiert. Neben seinen christlichen Freunden unterhielt Odenthal unter anderem auch freundschaftliche Beziehungen zu Kommunisten, wie etwa zum Gerresheimer Arzt Dr. Karl Hagedorn. Parteipolitisch war Odenthal nicht gebunden.


egen regimekritischer Äußerungen war Aloys Odenthal bereits zwei Mal von der Gestapo verhört worden. Für den Wiederholungsfall war ihm sogar die Einweisung in ein Konzentrationslager angedroht worden. Zusammen mit Winkens und Odenthal hatten sich zunächst noch mehrere Personen getroffen. Die Gruppe wurde aber später immer kleiner. Lediglich der Rechtsanwalt Dr. Karl Müller beteiligte sich auch weiterhin an diesen Gesprächen. Allein schon wegen seiner guten Auslandskontakte war Müller dem NS-Regime verdächtig.

Im Jahre 1943 kam dann über Dr. Müller ein Kontakt mit einem kleinen Kreis aus der Innenstadt zustande. Dieser Kreis hatte sich um den Rechtsanwalt Dr. August Wiedenhofen gebildet. Er war aus einem eher zufälligen Treffen Wiedenhofens mit dem Schreinermeister Ernst Klein während eines Bombenangriffs in einem Luftschutzkeller entstanden. Durch Klein wurden der Bäckermeister Josef Lauxtermann und der Malermeister Karl Kleppe in den Kreis eingeführt. Dr. Wiedenhofen brachte dann später auch seine Freunde Dr. Karl Müller und Josef Knab (Ingenieur und Kaufmann) zu diesen Treffen mit. Über Dr. Müller, der als Rechtsanwalt mit Dr. Wiedenhofen beruflich bekannt war, wurde der Kontakt zu den Gerresheimern Odenthal und Winkens geknüpft. Beide nahmen bald auch an den ein bis zwei Mal im Monat stattfindenden Unterredungen teil.

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Stehend (von links nach rechts): Aloys Odenthal, Ernst Klein, Josef Lauxtermann
Sitzend (von links nach rechts): Dr. August Wiedenhofen, Dr. Karl Müller

Die Männer hatten ein gemeinsames Ziel: Deutschland sollte vom nationalsozialistischen Regime befreit und neu gestaltet werden. Es wurde jedoch zunächst nur darüber geredet. Von der Gruppe wurden keine Aktionen, wie etwa von der Antifako, durchgeführt. Dr. Wiedenhofen seinerseits hatte wiederum weitere Kontakte zu anderen Düsseldorfer Bürgern und Gruppen. Diese nicht ungefährlichen Kontakte waren den übrigen Personen des Kreises jedoch nicht bekannt. Die Einführung neuer Personen in den Kreis musste jeweils unter größtmöglicher Vorsicht geschehen, da man nicht ausschließen konnte, dass sich hinter einem neuen Gesicht ein Spitzel oder sogar ein Gestapo-Beamter verbarg.


 

Seit dem Sommer 1944 gehörte auch der stellvertretende Düsseldorfer Polizeipräsident Dr. Dr. Otto Goetsch der Gruppe um Dr. Wiedenhofen an.

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Dr. Dr. Otto Goetsch

Otto Goetsch wurde am 23.4.1900 in Preußisch Börnecke (Kreis Quedlinburg) geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechts- und Staatswissenschaften sowie Landwirtschaft in Berlin. Beide Studiengänge beendete er mit der Promotion. Danach schloss sich eine juristische Ausbildung an verschiedenen Gerichten an. Im Jahre 1928 trat Goetsch in den Staatsdienst ein. Er versah anschließend Dienst bei verschiedenen Polizei- und Regierungspräsidien sowie kurzfristig auch im Preußischen Innenministerium. Goetsch war im Jahre 1943 vom Polizeipräsidium Sosnowitz zum Polizeipräsidium Düsseldorf versetzt worden und war hier mit der Leitung der Abteilung III (Verwaltungspolizei) beauftragt worden. Daneben war er ständiger Vertreter des Polizeipräsidenten. Obwohl Otto Goetsch als Oberregierungsrat hoher Beamter und auch Mitglied der NSDAP war, war Wiedenhofen aus Gesprächen mit ihm bekannt, dass Goetsch "auch wenigstens innerlich Gegner des Nationalsozialismus war". Durch den ‚Organisationsleiter’ der Wiedenhofen-Gruppe, Carl Bernhard Hettmer, wurde Goetsch später mit Wissen von Dr. Wiedenhofen in die konkreten Pläne des Kreises eingeweiht.

Frontstadt Düsseldorf

Um die Situation der Düsseldorfer Polizei unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkriegs zu verstehen, darf man mit der Schilderung der Ereignisse nicht am 17. April 1945, dem Tag des Einmarsches der amerikanischen Truppen nach Düsseldorf beginnen, sondern muss auch die Situation in den letzten Kriegsmonaten betrachten.

Seit Februar des Jahres 1945 waren in Düsseldorf aus Richtung Westen die Abschüsse der amerikanischen Artilleriegeschütze zu hören. Die 83. US-Division rückte ständig näher an die Stadt heran. Ziel der amerikanischen Einheiten war es den Rhein zu überqueren und von dort aus weiter in das Innere des Deutschen Reiches vorzustoßen. Neben der Hammer Eisenbahnbrücke gab es auf dem Gebiet der Stadt Düsseldorf noch die Südbrücke und die Skagerrakbrücke (heute Oberkasseler Brücke), die für einen Vorstoß in die rechtsrheinischen Stadtteile von elementarer Bedeutung waren.

Am 1. März 1945 gelang es den Amerikanern die Nachbarstadt Neuss zu erobern. Um den vorrückenden Truppen die Rheinquerung zumindest zu erschweren, wurden daraufhin von der deutschen Wehrmacht die Südbrücke und die Hammer Eisenbahnbrücke gesprengt. Nun stand auf Düsseldorfer Stadtgebiet lediglich noch die Skagerrakbrücke als Verbindung zwischen den links- und rechtsrheinischen Stadtteilen zur Verfügung.


 

Bereits am 3. März 1945 besetzten Soldaten des 330. Infanterieregiments der amerikanischen Armee ohne größere Gegenwehr die linksrheinischen Düsseldorfer Stadtteile. Die ‚Verteidiger' dieser Stadtteile, etwa 300 Soldaten der 338. Infanteriedivision, verstärkt durch Schutzpolizeibeamte und Volkssturmmänner, flohen vor den anrückenden gegnerischen Truppen über die Skagerrakbrücke auf das rechtsrheinische Stadtgebiet. Anschließend wurde auch die letzte Verbindung über den Rhein, die Skagerrakbrücke (heute Oberkasseler Brücke), durch deutsche Soldaten gesprengt.

Durch den Gauleiter von Düsseldorf, Friedrich Karl Florian (gleichzeitig auch Reichsverteidigungskommissar) war der Befehl herausgegeben worden, beim Einrücken der amerikanischen Truppen alle Versorgungsbetriebe sowie Gas- und Wasserleitungen, Telefon- und Stromkabel zu zerstören. Wichtige Verkehrseinrichtungen, wie Eisenbahn- und Straßenbrücken, sollten gesprengt werden. Die Bevölkerung sollte das Düsseldorfer Stadtgebiet räumen. Den Alliierten sollte lediglich ‚verbrannte Erde' hinterlassen werden.

Angesichts dieser Befehle und der Tatsache, dass Düsseldorf nun unmittelbar Frontstadt geworden war, entschloss sich die Wiedenhofen-Gruppe am 15. Februar 1945, über die bisherigen Gespräche hinaus, aktiv zu werden. Josef Lauxtermann erklärte später, dass er von Dr. August Wiedenhofen und Ernst Klein aufgefordert worden war, sich bei einer Bedrohung Düsseldorfs aktiv am Schutz der Stadt zu beteiligen. Diesem Ansinnen habe er dann auch zugestimmt.

Innerhalb der Gruppe hatte man erkannt, dass man die Hilfe einer bewaffneten Organisation benötigen würde, um ein derartiges Vorgehen in die Tat umsetzen zu können. Man traute weder der NSDAP, noch der Wehrmacht oder dem Volkssturm, da diese Organisationen für ihre Regimetreue bekannt waren. Die Schutzpolizei schien die einzige Möglichkeit zu sein, den Plan zu verwirklichen. Josef Knab war mit einem Polizeibeamten bekannt, der im Vorzimmer des Kommandeurs der Schutzpolizei, Oberstleutnant Franz Jürgens , saß. Von diesem Beamten hatte er erfahren, dass sich Jürgens vehement gegen die Zerstörungsbefehle Florians ausgesprochen hatte. Dr. Wiedenhofen erkundigte sich nun seinerseits bei Gewährsmännern im Polizeipräsidium über die Zuverlässigkeit von Franz Jürgens. Diese Gewährsmänner waren laut Wiedenhofen der stellvertretende Polizeipräsident Dr. Dr. Otto Goetsch und der Polizei-Inspektor Aumann.

Franz Jürgens war seit dem Jahre 1920 im Polizeidienst beschäftigt. Zuvor war er im Ersten Weltkrieg Soldat gewesen. 1932 wurde Jürgens zum Hauptmann, 1937 zum Major und 1943 planmäßig zum Oberstleutnant befördert. Am 27. Oktober 1944 wurde Jürgens von Darmstadt nach Düsseldorf abgeordnet. Hier wurde er zunächst stellvertretender Kommandeur der Schut zpolizei. Gleichzeitig mit seiner endgültigen Versetzung nach Düsseldorf zum 1. Januar 1945 wurde Jürgens dann mit der Führung der Schutzpolizei beauftragt. Obwohl Franz Jürgens bereits im Jahre 1933 in die NSDAP eingetreten war, galt er nicht als strammer Parteigänger.

Anfang April 1945 sollte Jürgens dann auf Anordnung des Polizeipräsidenten Korreng das Kommando über die ‚Kampfgruppe Mitte' übernehmen. Die ‚Kampfgruppe' bestand aus Polizeibeamten und Volkssturmmännern. Diese Männer sollten die Aufgabe übernehmen, Düsseldorfvor den heranrückenden alliierten Truppen verteidigen. Die Übernahme dieses Kommandos lehnte Jürgens jedoch vehement ab.


 

Das Kommando über die ‚Kampfgruppe Mitte' übernahm daraufhin Oberstleutnant Karl Brumshagen, der Jürgens später als Vorsitzender eines Standgerichts zum Tode verurteilen sollte. Aufgrund seiner Erkundigungen war Dr. Wiedenhofen davon überzeugt, dass Jürgens der geeignete Mann war, um die weiteren Pläne der Gruppe zu unterstützen. Das erste Treffen zwischen der Wiedenhofen-Gruppe und Oberstleutnant Jürgens fand erst am 14. April 1945, also erst zwei Tage vor der "Aktion Rheinland" statt. Im späteren Prozess gegen Florian, Brumshagen und Gesell berichtete der Zeuge, Polizeioberinspektor Richard Becher, dass Jürgens an diesem Tage mit der Widerstandsbewegung Verbindung aufgenommen habe. Zur Tarnung hatte er erklärt, er sei in Luftschutzangelegenheiten unterwegs.

Zu diesem Zeitpunkt muss der Wille, sich durch eine Aktion aktiv gegen das NS-Regime zu stellen, sowohl bei den Mitgliedern der Wiedenhofen-Gruppe, als auch bei Oberstleutnant Jürgens stark gewesen sein. Durch die fortgesetzte Belagerung, den andauernden Beschuss durch die Artillerie der Alliierten und den großspurig propagierten Durchhaltewillen von Partei- und Wehrmachtsführung auf der anderen Seite, war ein schreckliches Ende für die Stadt Düsseldorf abzusehen. Man hatte erkannt, dass Düsseldorf endgültig verloren sein würde, wenn man jetzt nichts unternahm. Den Ablauf der geplanten Aktion besprach die Gruppe am nächsten Tag. Ob Jürgens an diesem Gespräch teilgenommen hat, ist nicht bekannt.

Man war sich darüber einig, dass die NS-Führung ausgeschaltet werden musste. Mit Hilfe vonJürgens und seiner Schutzpolizei sollte schnellstmöglich eine Aktion zur Rettung der Stadt erfolgen. Lauxtermann drängte bei der Besprechung auch auf die Festnahme des Gauleiters Florian. Durch Dr. Karl Müller wurde Aloys Odenthal noch am gleichen Tage über das Vorhaben informiert. Dieser schlug vor, Theodor Andresen mit in die Aktion einzubeziehen. Andresen war als Bauunternehmer tätig. Bis zum Jahre 1943 war er als Soldat am Ostfeldzug beteiligt gewesen. Hier hatte er das Grauen des Krieges kennen gelernt und war durch seine Erlebnisse zutiefst betroffen. Schwer verletzt war er dann aus der Wehrmacht ausgeschieden. Odenthal hatte sich schon mehrfach mit Andresen über die Lage und seine ablehnende Haltung gegenüber dem Naziegime besprochen. Andresen erklärte sich spontan bereit, sich an der Aktion zu beteiligen. Zwischenzeitlich hatte sich auch der Student Hermann Weill der Wiedenhofen-Gruppe angeschlossen. Weill, nach der Terminologie des NS-Staates Halbjude, lebte versteckt im Haus von Dr. Wiedenhofen. Auch er hatte sich, als er von Wiedenhofen angesprochen worden war, spontan zur Unterstützung der Gruppe bereit erklärt.

Die Ereignisse am 16. und 17. April 1945

Am Morgen des 16. April 1945, einem Montag, begaben sich Odenthal und Andresen in die Wohnung von Dr. August Wiedenhofen. Hier hatten sich bereits Dr. Müller, Knab und Weill eingefunden. Am Vormittag wurde aus der Wohnung Wiedenhofens mehrfach mit Oberstleutnant Jürgens telefoniert. Bei diesen Telefonaten berichtete Jürgens über eine anstehende wichtige Entscheidung bezüglich der weiteren Verteidigung Düsseldorfs. Er sagte zu, sich zu melden, wenn diese Entscheidung gefallen sei. Gegen 13.00 Uhr erreichte die wartenden Männer dann der Anruf von Jürgens: Man müsse unverzüglich handeln. Die amerikanischen Truppen stünden vor den Toren der Stadt; Partei und Wehrmacht bereiteten die Verteidigung bis zur letzten Sekunde vor. Ihm Jürgens, sei vom Polizeipräsidenten Korreng befohlen worden, die Stadt zu verteidigen.

Generalfeldmarschall Model, Kommandant des Ruhrkessels und gerade erst seit dem 15. April 1945 auch Stadtkommandant von Düsseldorf, hatte damit begonnen, seine Einheiten auflösen zu lassen.


 

Die weitere Verteidigung Düsseldorfs sollte nun allein von der Schutzpolizei übernommen werden. Den amerikanischen Truppen war es zwischenzeitlich gelungen, bei Remagen den Rhein zu überqueren; die Engländer hatten im Norden bei Wesel die Rheinquerung geschafft. Düsseldorf war seit dem 10. April 1945 vollständig von alliierten Truppen eingeschlossen. Durch die bestehenden Befehle fanatischer Nazi-Bonzen war eine Kapitulation Düsseldorfs ausgeschlossen. Aufgrund dieser Tatsache war es für Dr. Wiedenhofen, Jürgens und die anderen Männer klar, dass nun der Zeitpunkt gekommen war, das Heft des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen.

Kurz nach 13.00 Uhr trafen Odenthal, Dr. Wiedenhofen, Knab, Dr. Müller und Andresen im Polizeipräsidium ein. Sofort suchten sie Oberstleutnant Jürgens in seinem Büro auf. Bereits nach einer kurzen Unterredung stand für die Männer fest, dass man nun die NS-Führung und die Führung der Düsseldorfer Polizei ausschalten musste, um die Stadt unter die Kontrolle der Gruppe zu bringen. Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, sollten einige Männer (Dr. Wiedenhofen, Dr. Müller und Odenthal) zu den amerikanischen Truppen fahren, um dort über die kampflose Übergabe der Stadt zu verhandeln. Jürgens stellte den Unterhändlern einen Wagen der Polizei mit Fahrer und eine weiße Fahne zur Verfügung.

Er selbst wollte nach der Festnahme des Polizeipräsidenten Korreng das Kommando über die Polizei übernehmen und dafür sorgen, dass beim Einmarsch der Amerikaner von dieser Seite kein Widerstand geleistet würde.

Der Polizeipräsident, SS-Brigadeführer Korreng, sollte festgenommen und in einer Zelle des Polizeigefängnisses festgesetzt werden. Korreng war als regimetreuer Nationalsozialist bekannt und hätte möglicherweise die Anordnungen von Jürgens wieder aufheben können. Zuvor war die Idee, Korreng zu erschießen verworfen worden, weil man ihn später noch über die Existenz von sogenannten Werwolfgruppen vernehmen wollte. Hauptmann Gehrke, der Stellvertreter von Oberstleutnant Jürgens, wurde in die Pläne eingeweiht. Die Aktion erhielt den Tarnnamen ‚Rheinland'. In seinem Büro teilte Oberstleutnant Franz Jürgens mit den Mitgliedern der ‚Wiedenhofen-Gruppe’ noch eine Flasche Wein. Anschließend wurden die zivilen Widerstandskämpfer noch mit Pistolen der Polizei ausgestattet und vom Waffenmeister des Präsidiums, dem Obermeister der Schutzpolizei Wackernagel, in deren Handhabung eingewiesen.

Danach gingen die Männer zum Büro des Polizeipräsidenten, nahmen Korreng mit den Worten: "Herr Präsident, Sie bieten uns in den kommenden Tagen nicht die Gewähr für die reibungslose Abwicklung aller Dinge. Wir sind deshalb als Vertreter der Düsseldorfer Bürgerschaft gezwungen, Sie in Schutzhaft zu nehmen" fest und brachten ihn in eine Zelle des Polizeigefängnisses. Als Wache vor der Zelle fungierte neben zwei Polizeibeamten auch Dr. Müller.


 

august-korreng

Polizeipräsident
SS-Brigadeführer August Korreng

Nach der Festnahme Korrengs begaben sich Jürgens, Odenthal und Dr. Wiedenhofen zum stellvertretenden Polizeipräsidenten Dr. Dr. Otto Goetsch. In dessen Vorzimmer diktierte zunächst Jürgens den Text für einen Ausweis, der die Inhaber berechtigte, mit den alliierten Truppen über die Übergabe der Stadt Düsseldorf zu verhandeln. Dr. Goetsch änderte diesen Text anschließend noch einmal ab. Danach versah er den Ausweis mit dem Siegel des Polizeipräsidiums. Das Dokument wurde schließlich von Jürgens unterschrieben.

Oberstleutnant Jürgens informierte anschließend die Kommandeure der drei Düsseldorfer Polizeiabschnitte über die Festnahme Korrengs und wies sie an, beim Einmarsch der amerikanischen Truppen die Waffen ruhen zu lassen. Odenthal und Dr. Wiedenhofen fuhren in die Stadt, um die Ablösung für die Wache vor Korrengs Zelle zu organisieren. Nachdem sie mit Kleppe und Weill zum Präsidium zurückgekehrt waren, begaben sich diese beiden Personen in das Gebäude, während Odenthal und Wiedenhofen im Fahrzeug auf Dr. Müller warteten. Als dieser nach einiger Zeit noch nicht zu sehen war, kam ihnen die Situation verdächtig vor. Plötzlich kam Theodor Winkens auf einem Fahrrad vorbeigefahren und rief ihnenzu: "Alles verraten! Jürgens verhaftet! Haut ab!"

Erst später erfuhren Odenthal und Dr. Wiedenhofen, dass die Aktion in der Zeit, in der sie die Ablösung für Dr. Müller organisiert hatten, von einem Mitarbeiter des Polizeipräsidiums verraten worden war. Der Verräter, der die Gauleitung über die Festnahme Korrengs informiert hatte, konnte im Nachhinein nie ermittelt werden. Der Kommandeur der ‚Kampfgruppe Mitte', Oberleutnant d. Sch. Brumshagen, hatte einen Stoßtrupp aus Fallschirmjägern zusammengestellt. Durch diesen Stoßtrupp wurde Korreng aus der Zelle im Polizeigefängnis befreit. Während es Dr. Müller noch gelang, aus dem Polizeipräsidium zu fliehen, wurden Kleppe, Knab, Andresen und Weill festgenommen. Das gleiche Schicksal ereilte kurze Zeit später auch Oberstleutnant Jürgens und Hauptmann Gehrke, die sich noch im Präsidium befanden.

Standgerichte gegen Jürgens und die zivilen Widerstandskämpfer

Noch am gleichen Nachmittag tagten zwei Standgerichte. Von einem, das unter dem Vorsitz von Oberstleutnant der Schutzpolizei Brumshagen im Parkhotel am Hofgarten tagte, wurde Franz Jürgens wegen Kriegsverrats zum Tode verurteilt, Gehrke wurde freigesprochen.


 

 

Das zweite Standgericht unter Vorsitz des Wehrmachtsmajors Peiper verurteilte die Mitglieder der Wiedenhofen-Gruppe (Andresen, Kleppe, Knab und Weill) in der Schule an der Stoffeler Straße ebenfalls zum Tode.

Die fünf Todesurteile wurden noch in der Nacht zum 17. April 1945 auf dem Hof der Berufsschule an der Färberstraße vollstreckt. Als Führer des Exekutionskommandos, das die Erschießung Jürgens vornahm, fungierte der Revieroberleutnant der Schutzpolizei Heinrich Gesell, den Jürgens dienstlich kannte. Obwohl es üblich war, zu exekutierende Personen an einen Pfahl anzubinden und ihnen die Augen zu verbinden, lehnte Jürgens beides für sich ab. Oberstleutnant Franz Jürgens starb mit den Worten: "Gesell, grüßen Sie mir meine Frau. Es lebe Deutschland!" Von Oberstleutnant Franz Jürgens ist noch die Erkennungsmarke im Original erhalten geblieben. Üblicherweise wurde die Marke nach dem Tode zerbrochen, wobei der obere Teil an der Leiche verblieb, der abgebrochene Teil wurde der aktenführenden Dienststelle als Nachweis für den Tod der Person übergeben. Dies ist nach der Erschießung von Jürgens jedoch nicht gesche hen.

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Erkennungsmarke des Oberstleutnants d.Sch. Franz Jürgens

Die Leichen der fünf erschossenen Männer wurden nun in der Asche, die den Boden des Geländes bedeckte, verscharrt.

Die fünf Leichen wurden später exhumiert. Bei der Exhumierung waren auch Aloys Odenthal und Dr. August Wiedenhofen anwesend. Bei der Obduktion am 1. Juni 1945 wurde durch das Institut für gerichtliche Medizin und Kriminalistik an der Medizinischen Akademie Düsseldorf festgestellt: "... die 4 Leichenöffnungen haben folgendes ergeben: 1. Bei allen Personen Tod durch Erschießen. 2. Bei Knab eine schwere Misshandlung vor dem Tode mit Zertrümmerung des rechten Arms. Bei Andresen eine schwere Misshandlung mit Zertrümmerung des Schädels ..."

So wurden die fünf Männer, deren einziges Ziel es war, die Stadt Düsseldorf und ihre Bevölkerung vor weiterem Grauen und Leid zu bewahren, die letzten Opfer des Nazi-Regimes.


 

 

Exkurs: Gerichtliche ‚Nachspiele'

Die Exekution von Jürgens und den übrigen vier Widerstandskämpfern wurde in den Jahren 1948 bis 1952 in insgesamt vier Gerichtsverfahren (Landgericht Düsseldorf, Oberster Gerichtshof in der Britischen Zone, Landgericht Wuppertal, Bundesgerichtshof) untersucht. Das Düsseldorfer Gericht erklärte das Standgerichtsverfahren für rechtmäßig. Jürgens Verhalten sei nach damaligem Recht als ‚militärischer Aufruhr' zu werten gewesen. Das Oberste Gericht in der Britischen Zone konnte diese Auffassung nicht teilen und verwies das Verfahren daraufhin an das Landgericht Wuppertal. Dieses Gericht kam dann, ebenso wie später der Bundesgerichtshof zu der Auffassung, dass es sich bei dem Verhalten von Jürgens und der übrigen vier Männer nach dem im Jahre 1945 geltenden Recht um ‚Kriegsverrat' gehandelt habe. Die Standgerichtsverfahren und die Urteile seien rechtmäßig gewesen. Gerade derartige Kriegsgerichtsverfahren würden auch eine schnelle Vollstreckung der verhängten Strafen bedingen. Die drei Angeklagten, Gauleiter Florian, Oberstleutnant der Schutzpolizei Brumshagen und Re30vieroberleutnant der Schutzpolizei Gesell wurden in diesen Verfahren freigesprochen.

Erst im Jahre 1999, also 44 Jahre später, wurden die Standgerichtsurteile gegen Oberstleutnant Franz Jürgens, Theodor Andresen, Karl Kleppe, Josef Knab und Hermann Weill aufgehoben. Dies erfolgte nach umfangreichen Recherchen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf im Rahmen des vom Deutschen Bundestag am 25.8.1998 beschlossenen Gesetzes "zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile".

Verhandlungen mit den Alliierten und Übergabe der Stadt Düsseldorf

In den Nachmittagsstunden des 16.April 1945 schlugen sich Dr. Wiedenhofen und Odenthal zu Fuß zu den amerikanischen Linien durch. Zuvor hatten sie dem Fahrer des Polizeiwagens, der Angst vor der Kriegsgefangenschaft hatte und darum gebeten hatte, nicht weiter mitkommen zu müssen, im Stadtteil Gerresheim das Versprechen abgenommen, nichts über die Pläne zu verraten. Danach durfte dieser wieder in die Stadt zurückfahren.

Kurz vor Mettmann wurden die beiden Unterhändler dann von einer amerikanischen Streife entdeckt und festgenommen. Zunächst wurden sie nach Mettmann, in das örtliche Hauptquartier der amerikanischen Truppen, gebracht. Von dort aus wurden sie später zum alliierten Hauptquartier nach Langenfeld gefahren.

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Ausweis für Aloys Odenthal und Dr. August Wiedenhofen (Bild)

In langen und nervenaufreibenden Verhandlungen gelang es den beiden, die alliierten Kommandeure davon zu überzeugen, dass sich die Stadt Düsseldorf kampflos ergeben werde. Buchstäblich in letzter Minute konnte noch ein geplanter Luftangriff mit 1000 Bombern verhindert werden. Dieser Bombenangriff sollte Düsseldorf ‚sturmreif' machen.


 

 

Odenthal und Wiedenhofen rückten am 17. April 1945 auf den ersten beiden von 8 Panzern in Düsseldorf ein. Die Panzer, begleitet von 800 amerikanischen Soldaten, rückten ohne auf Widerstand zu stoßen, bis zum Polizeipräsidium vor. Erst hier erfuhren die beiden Widerstandskämpfer, dass ihrer fünf Freunde erst wenige Stunden zuvor erschossen und anschließend vor Ort verscharrt worden waren.

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Einmarsch der amerikanischen Truppen am 17. April 1945 (Bild und Video)


 

Im Präsidium mussten alle anwesenden Beamten auf dem Hof antreten und die Waffen niederlegen. Anschließend wurde ihnen mitgeteilt, dass sie ihre Arbeit weiter zu verrichten hatten. Die noch vorhandenen Kommandostrukturen der Schutzpolizei blieben bestehen.

Der stellvertretende Polizeipräsident Dr. Dr. Otto Goetsch

Am 16.4.1945, gegen 16.00 Uhr, hatte Dr. Goetsch in seinem Büro Besuch von zwei Bekannten, dem Rechtsanwalt Fr. J. Kalpers und Carl Bernhard Hettmer. Durch seine Vorzimmerdame Alice Rohr wurde Dr. Goetsch gemeldet, dass Oberstleutnant Jürgens festgenommen worden sei. "Gleichzeitig hörten wir Korreng in seinem Dienstzimmer, das sich über dem von Goetsch befand - wir vermuteten Korreng noch in Haft - laut schimpfen", so Rechtsanwalt Kalpers in einer Erklärung zu den damaligen Ereignissen. Nur durch Flucht aus dem Präsidium konnten sich die drei Personen dann der Festnahme durch Beauftragte des Polizeipräsidenten Korreng entziehen. Vor dem Präsidium trennten sich ihre Wege. Dr. Goetsch eilte nach Hause, um dort einige Sachen zu holen und sich anschließend bei einem Bekannten zu verstecken. Im Haus traf er auf eine Nachbarin, Grete Huss. In einer eidesstattlichen Versicherung schildert sie diese Begegnung wie folgt: "Am 16.4.45 kam Dr. Goetsch am frühen Nachmittag nach Hause, die Treppe fast herauf stürmend. Auf meine Frage, weshalb er so eilig sei, erzählte er mir atemlos von den Geschehnissen im Polizeipräsidium, und dass er gesucht würde. Ich bot ihm an, sich in der Praxis meines Ehemannes zu verbergen. Dr. Goetsch lehnte dies als zu unsicher ab und eilte nach wenigen Minuten, nachdem er sich augenscheinlich nur wenige Wäschestücke geholt hatte, wieder aus dem Hause in Richtung Parkhotel davon.


 

 

Wenige Minuten, nachdem er das Haus verlassen hatte, kamen 2 Schutzpolizei Beamte die mich und andere Hausbewohner fragten, ob wir wüssten, wo Dr. Goetsch sei. Wir verneinten dies und fragten, was er wolle. Sie entgegneten, er müsse zum Parkhotel kommen, wo ein Standgericht tage. Als sie gegangen waren, unterhielt ich mich mit anderen Mitbewohnern des Hauses über die Sache und insbesondere darüber, dass 2 Beamte gekommen waren, dass es sich also offenbar nicht um einen Botengang, den 1 Beamter hätte erledigen können, gehandelt habe, sondern wirklich, wie Dr. Goetsch angegeben hatte, um seine Verhaftung. Die Polizeibeamten blieben in der Nähe des unseren Hauses gegenüber liegenden Opernhauses bis gegen Einbruch der Dunkelheit stehen und beobachteten ständig unseren Hauseingang. "

Ein weiterer Zeuge, nämlich Hugo Pootmann, gibt in seiner eidesstattlichen Versicherung für die Berufungskammer des Entnazifizierungsausschusses Düsseldorf folgendes an: "Am 16.4.45 kam Dr. Goetsch des Nachmittags in meine Wohnung und berichtete mir atemlos über die Vorgänge, die sich im Pol.Präsidium abgespielt hatten, und daß er vom Standgericht gesucht würde. Ich bot ihm an, sich bei mir zu verbergen. Dr. Goetsch entgegnete mir, daß er deshalb an sich zu mir gekommen sei, daß aber ein Kriminalbeamter (Krim.Komm. Dr. Harnischfeger) ihn auf dem Wege in Richtung meines Hauses gesehen habe, daß Dr. Harnischfeger sehr vertraut mit Korreng sei, und daß er deshalb fürchte, dieser würde ihn verraten. Dr. Goetsch ging deshalb bei Einbruch derDunkelheit aus meiner Wohnung, um, wie er mir sagte, sich bei einem Freund in der Altstadt zuverbergen."Bei diesem Freund, Karl Müller, kam Dr. Goetsch am späten Abend des 16.04.1945 an. Karl Müller berichtet in seiner späteren eidesstattlichen Erklärung: "Am 16.4.45 kam Dr. Goetsch am späten Abend zu mir und erzählte mir kurz die Vorgänge betreffend Verhaftung Korreng's und nachher Jürgens, von der ich schon etwas gehört hatte. Er erklärte mir, er werde vom Standgericht, das die 5 anderen Beteiligten inzwischen bereits zum Tode verurteilt hatte, gesucht. Ich hielt ihn bis zum Einrücken der Amerikaner in meiner Wohnung versteckt. Am 18.4.45 begab er sich zum Präsidium und stellte sich den Amerikanern zur Verfügung."

Polizeipräsident Korreng, augenscheinlich wieder Herr der Lage, ließ sich zwischenzeitlich ständig über den Stand der Fahndungsmaßnahmen nach Dr. Dr. Goetsch berichten. Kriminalkommissar Müller bekam von Korreng den Auftrag, "den Stand der Fahndungsmaßnahmen nach Dr. Goetsch festzustellen."Der Verwaltungsamtmann Anton Kollender aus dem Polizeipräsidium Düsseldorf machte sich Sorgen um das Schicksal seines Vorgesetzen Dr. Dr. Goetsch. Er erkundigte sich darüber bei einem Kriminalbeamten der ihm mitteilte, "daß der Kriminalkommissar Harnischmacher (vermutlich Dr. Harnischfeger, d. Verf.) mit drei anderen Kollegen den Auftrag habe, Goetsch zu suchen, um ihn zu erschießen."

Weiterer Werdegang des Dr. Dr. Otto Goetsch

Der öffentliche Ankläger plädierte in der Sitzung der Berufungskammer des Entnazifizierungsausschusses des Stadtkreises Düsseldorf am 3.12.1947 nach Anhörung der geladenen Zeugen dafür, Dr. Goetsch in die Kategorie V (Entlastete) einzustufen. Die Kammer schloss sich diesem Antrag an und begründete das Ergebnis wie folgt: "Beschlossen und verkündet. Die Kammer hat beschlossen, der Beschwerde (von Dr. Dr. Goetsch gegen seine Einstufung in die Kategorie IV, der Verf.) stattzugeben und den Beschwerdeführer in die Kategorie V einzustufen. Gründe: Es konnte auch festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 15. und 16. April 1945 in äußerst aktiver Weise gegen das Nazitum gearbeitet hat und dass es deswegen auch dem sofortigen Erschießen auf Befehl des Polizeipräsidenten Korreng ausgesetzt war. Die glaubhaften Angaben des Zeugen Wiedenhofen bestätigen das Vorstehende in jeder Beziehung, desgleichen die Zeugenaussage des Zeugen Kollender bezüglich der Bedrohung.


 

 

Es ist im übrigen auch aufgrund der vielen weiteren Bescheinigungen, insbesondere auch des Rechtsanwalts Kalpers und des Zeugen Heltmer (wahrscheinlich Hettmer, d. Verf.) als glaubwürdig und feststehend angesehen worden, dass der Beschwerdeführer sich nur durch die Flucht und das Verstecken vor dem Tode hat retten können. Den tatsächlichen Nachweis dafür, dass er in den schwierigsten Zeiten sich aktiv gegen das Nazitum betätigt hat und zwar zum Teil in hervorstehender Weise, hat der Kammer die Veranlassung dazu gegeben, seiner Beschwerde stattzugeben und ihn wegen seines geeigneten Widerstandes in die Kategorie V der völlig Entlasteten einzustufen"

Dr. Dr. Goetsch wurde am 18.5.1945 von den amerikanischen Besatzungstruppen zum Polizeipräsidenten von Düsseldorf berufen. Bestätigt wurde seine Ernennung am 27.7.1945 durch die britische Militärregierung. Die Briten hatten zwischenzeitlich die Amerikaner abgelöst. In einem Schreiben ‚betreffend die Neuorganisation der Polizei' wurde dem damaligen Oberbürgermeistermitgeteilt, dass "der Polizeipräsident Oberregierungsrat Dr. Goetsch" der "Chef der Polizei direkt unter dem Oberbürgermeister"sei. Am 20.8.1945 erfolgte dann seine Suspendierung durch die britische Militärregierung nach der sogenannten ‚Oberregierungsrat-Verordnung', nach der diejenigen höheren Beamten automatisch aus ihrem Amt entlassen wurden, die im ‚3. Reich' einen relativ schnellen Aufstieg geschafft hatten. Goetsch wurde bis zum 1.1.1947 im Lager Eselsheide bei Paderborn interniert. Goetsch wollte seine Suspendierung nicht tatenlos hinnehmen und betrieb nach der Entlassung aus der Internierung seine Entnazifizierung. Nachdem er zunächst in die Kategorie IV eingestuft worden war, erreichte er in der Berufungsverhandlung die Einstufung in die Kategorie V (siehe oben). Als nächster Schritt folgte eine Klage gegen die Stadt Düsseldorf vor dem Landesverwaltungsgericht. In der Klageschrift vom 26.6.1948 forderte er, die Stadt Düsseldorf dahingehend zu verurteilen, "dem Kläger mit Wirkung vom 2. Januar 1947 eine seiner bisherigen Amtsstelle nach Bedeutung und Inhalt ohne Rücksicht auf Rangverhältnisse gleichzuberwertende Amtsstelle zu übertragen."Zuvor hatte Otto Goetsch zwei Wiedereinstellungsgesuche an die Stadt Düsseldorf (19. und 29.1.1948) gerichtet. Diese waren jedoch abgelehnt worden. Das Verfahren zog sich bis zum 10.9.1949 hin und endete mit einem Vergleich zwischen Dr. Dr. Goetsch und der Stadt Düsseldorf. Otto Goetsch wurde aufgrund dieses Vergleichs als Rechtsrat in die Dienste der Stadt übernommen.

Zwischenzeitlich hatte er auf ein Gesuch, das an den Innenminister und (inhaltsgleich) an den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen gerichtet war, am 12.1.1948 eine Angestelltenstelle als Referent in der Polizeiabteilung des Innenministeriums erhalten. Gegen die Einstellung als Angestellter wehrte sich Goetsch und versuchte, allerdings vergeblich, eine Beamtenstelle zu bekommen. Nach dem Vergleich mit der Stadt Düsseldorf kündigte er schließlich seine Stelle im Ministerium.

Mit Schreiben vom 1.9.1953 richtete Dr. Dr. Goetsch ein Gesuch an den Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, in dem er darum bat, ihn "zum 1. Oktober 1953 in der Stelle des Polizeipräsidenten von Düsseldorf zu bestätigen."Er begründete sein Begehr damit, dass er von der amerikanischen Militärregierung, später auch von der britischen Militärregierung zum Polizeipräsidenten in Düsseldorf ernannt worden sei. Dies sei durch eine Urkunde vom 30.07.1945 durch den Oberbürgermeister in Düsseldorf bestätigt worden. Von der Stelle des Polizeipräsidenten sei er nie suspendiert worden. Da sich das Ministerium offenbar nicht rührte, bat er mit Schreiben vom 25.3.1954 um eine Entscheidung über seinen Antrag. Am 30.11.1954 wurde Dr. Dr. Goetsch vom Innenministerium mitgeteilt, dass seinem Antrag nicht entsprochen werden konnte und ihm " aus der Presse bekannt sein dürfte, (ist) dass Herr Rechtsanwalt Herbert Klein inzwischen zum Polizeipräsidenten ernannt worden" war. Seitens des Ministeriums sehe man "die Angelegenheit als erledigt an".


 

 

Gegen dieses Schreiben legte Dr. Dr. Goetsch unverzüglich Widerspruch ein, wobei er sich auf das Gesetz zum Artikel 131 Grundgesetz berief und eine Unterbringung in seine frühere, bzw. eine gleichwertige Stelle einforderte. Im Einspruchbescheid vom 11.2.1955 wies das Ministerium unter anderem darauf hin, daß Dr. Dr. Goetsch "durch die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit durch die Stadtverwaltung Düsseldorf unter Ernennung zum städtischen Rechtsrat (...) Am 13.8.1949 gegenüber seinem (ihrem) Rechtsstand am 8.5.1945 bei einem anderen Dienstherrn rechtsgleich wiederverwendet" sei. Sein "Rechtsstand als Wiederverwendungsbeamter" sei "damit beendet worden."

Mit Wirkung vom 1.5.1957 wurde Dr. Dr. Otto Goetsch aufgrund einer langjährigen Erkrankung des Herzens in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Trotzdem gab er auch jetzt noch nicht auf, seinen Traum zu verwirklichen und wieder Polizeipräsident in Düsseldorf zu werden. "Er war gedemütigt. Von all den Kränkungen war er krank. Dann hat er gesagt: Ich muss jetzt versuchen in Pension zu gehen. Trotzdem hat er weitergekämpft. Das war er sich schuldig, hat er gesagt." So die Witwe von Otto Goetsch in einem Gespräch mit dem Autor am 11.3.1999. Als Rechtsmittel gegen den Bescheid des Innenministeriums legte Dr. Dr. Goetsch anschließend Klage beim Landesverwaltungsgericht in Düsseldorf ein. In der mündlichen Verhandlung vom 22. 5.1957 wurde die Klage abgewiesen. Hiergegen legte Goetsch anschließend beim Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen Berufung ein. In der Sitzung vom 30.4.1959 wurde die Berufung von der VI. Kammer des Oberverwaltungsgerichts auf Kosten des Klägers zurück gewiesen. Revision wurde nicht zugelassen.

Mit Datum vom 19.8.1959 richtete Dr. Dr. Goetsch nun eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und bat, "unter Aufhebung des Bescheides des O.V.G. Münster vom 30.4.59 die Revision zuzulassen. "Diesem Antrag wurde entsprochen.

In diesem Brief merkt man Dr. Dr. Goetsch seine Verbitterung über die bislang in seiner Sache ergangenen Urteile an, wenn er schreibt: "Welchen Dank Düsseldorf der damaligen Leitung der Polizei zu schulden glaubt, ist daraus ersichtlich, dass nach dem Kommandeur der Schutzpolizei, Oberst-Leutnant Jürgens, der mir dienstlich unterstand und seine Maßnahmen nur mit meinem Einverständnis vollzog und vollziehen konnte, nach seiner Erschießung ein öffentlicher Platz benannt wurde und dass alljährlich an seinem Grab eine Gedenkstunde an diese Ereignisse stattfindet. So ehrt man, und mit größtem Recht als eine selbstverständliche Folge einer aufrichtigen anständigen Haltung, den toten Oberst-Leutnant Jürgens. Dem Kläger, der nur durch Zufall dem gleichen Schicksal entging wie sein Freund Jürgens, enthält man die Rechte, die man ihm damals in Anerkennung des Geleisteten und als Ausfluss des geschuldeten Dankes zuerkannte, vor. Also zweckbedingt aus Gründen nicht sachlicher Natur wird heute noch versucht, den Überlebenden dieser Ereignisse, (...), formale Hindernisse in den Weg zu stellen." Am 19.7.1960 beschloss der II. Senat des Bundesverwaltungsgerichts schließlich, die Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision gegen den Bescheid des OVG Nordrhein-Westfalen zurückzuweisen. Gleichzeitig wurde die "Revision gegen denselben Bescheid verworfen. "Der nunmehr 60-jährige Dr. Dr. Otto Goetsch hatte den Verwaltungsrechtsweg bis zur letztmöglichen Instanz ausgeschöpft und dennoch seinen großen Traum, wieder Polizeipräsident von Düsseldorf zu werden, nicht verwirklichen können.

Dr. Dr. Otto Goetsch verstarb am 14.11.1962 in Düsseldorf.

Aloys Odenthal lebte und arbeitete als letztes Mitglied der Widerstandsgruppe in Düsseldorf. Bei öffentlichen Auftritten wurde er bis zu seinem Tod nicht müde, immer wieder die Geschichte von der Rettung der Stadt Düsseldorf zu erzählen und gleichzeitig vor Rechtsextremismus und Kadavergehorsam zu mahnen. Am 30. November 2003 verstarb Aloys Odenthal nach kurzer, schwerer Krankheit.

Klaus-Fr. Dönecke, Polizeihauptkommissar Polizeipräsidium Düsseldorf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Paul SalitterPaul SalitterDer Führer der dritten Judendeportation aus Düsseldorf am 11. Dezember 1941 war der Hauptmann der Schutzpolizei Paul Salitter.
Jeder Angehörige der Polizei konnte bereits am 1. Dezember 1941 in den »Mitteilungsblättern für die Schulung der Ordnungspolizei« nachlesen, was mit diesen Menschen passieren sollte:
(Zitat) „Das Wort des Führers, dass ein vom Judentum angezettelter neuer Krieg nicht die Zerschlagung des antisemitischen Deutschland, sondern vielmehr das Ende des Judentums bringen werde, wird in diesen Tagen vollstreckt. Die gewaltigen Räume des Ostens, die Deutschland und Europa nun zur Kolonisation zur Verfügung stehen, ermöglichen in naher Zukunft auch die endgültige Lösung des jüdischen Problems, d.h. nicht nur die Entmachtung, sondern die tatsächliche Ausscheidung der parasitären Rasse aus der europäischen Völkerfamilie. Was noch vor 2 Jahren unmöglich erschien, wird nun Schritt für Schritt Wirklichkeit: Am Ende dieses Krieges steht das judenfreie Europa."(Zitat Ende)

Mit Fernschreiben Nr. 13.165 vom 12. Dezember 1941 meldet die Stapoleitstelle Düsseldorf unter dem Aktenzeichen II B4/71.02/1300/41 an den SS-Stubaf. Eichmann im Referat IV B4 des Reichssicherheitshauptamts, dass „der Transportzug Do 38 den Abgangsbahnhof Düsseldorf-Derendorf in Richtung Riga mit insgesamt 1007 Juden verlassen" hat. Die Abfahrtszeit wurde für den 11. Dezember 1941, 10.45 Uhr, gemeldet. Zuvor hatten bereits am 27. Oktober und am 10. November von Derendorf aus größere Deportationen stattgefunden. Beim ersten Transport wurden 1011 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, überwiegend aus Düsseldorf und den größeren Städten der Region, zum Ghetto nach Litzmannstadt/Lodz abgeschoben. Die zweite große Deportation ging dann mit etwa 1000 Personen, darunter fast 600 Juden aus Düsseldorf zum Ghetto von Minsk. Von diesen beiden Transporten sind keine näheren Einzelheiten bekannt.

Dieser dritte Judentransport aus dem Rheinland vom 11. Dezember wurde von einem Kommando der Schutzpolizei Düsseldorf in der Stärke von 1 : 15 Beamten begleitet.

(Den Originalbericht als PDF-Dokument - 2,03 MB - finden Sie hier)

Transportführer war der damalige Hauptmann der Schutzpolizei Paul Salitter. Über den Verlauf der „Evakuierung von Juden nach Riga" hat Salitter am 26. Dezember 1941 einen insgesamt neunseitigen Bericht verfasst, der sich heute im Original in der Wiener Library in London befindet. Beigeheftet war diesem Bericht eine zweiseitige Aufstellung, in der die Menschen, die in Richtung Osten deportiert wurden und einem ungewissen Schicksal entgegenfuhren, nach Geschlecht, Alter und Beruf akribisch per Strichliste erfasst wurden.
Die Namen der 15 Schutzpolizisten aus Düsseldorf sind nicht überliefert. Es dürfte sich aber, um mit den Worten des Historikers Christopher. R. Browning zu sprechen, um ‚ganz normale Männer’ gehandelt haben.

Lediglich der Name des Transportführers, damals noch Hauptmann der Schutzpolizei, ist erhalten geblieben. Es handelt sich um Paul Salitter. Wer war dieser Mann und was ist aus ihm geworden?

Auf dem Speicher des Düsseldorfer Polizeipräsidiums fand sich zufällig zwischen anderen Unterlagen ein nur 16 Seiten starkes Aktenstück über Salitter. Paul Salitter wurde am 15.12.1898 in Labellen, Kreis Treuburg (Ostpreußen) geboren. Nach der Schule wurde er Bürogehilfe.
Vom 21.03.1917 bis zum 09.10.1919 war Salitter Soldat, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Oberfeldwebels. Am 10.10.1919 trat er in Königsberg in den Polizeidienst ein. Wann Salitter nach Düsseldorf versetzt worden ist, ist nicht bekannt. Bekannt ist lediglich, dass er zumindest im Jahre 1941 im Bereich S II (Personal) beim Kommando der Schutzpolizei Düsseldorf Dienst versah. Am 13.03.1942 wird Salitter von Düsseldorf zur Polizeiverwaltung Brest-Litowsk abgeordnet. Über seine dortige Tätigkeit ist nichts bekannt.

Nach dem Kriegsende meldet sich der zwischenzeitlich zum Major der Schutzpolizei beförderte Salitter in Düsseldorf zum Dienst zurück. Er wird im 2. Polizeirevier verwendet.
Durch die alliierte Militärregierung wird gegen Salitter Mitte 1945 ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Aufgrund dieses Verfahrens wird er mit Verfügung vom 12.07.1945 durch den damaligen Polizeipräsidenten, Oberregierungsrat Dr. Dr. Otto Goetsch vom Dienst suspendiert.

Am 18.10.1945 wird Salitter dann auf Anordnung der Militärregierung vom 11.10.1945 aus dem Polizeidienst entlassen. Offensichtlich erfolgte zwischenzeitlich eine Internierung Salitters in ein alliiertes Internierungslager. Aus der Internierung wird er nach eigenen Angaben am 08.12.1946 entlassen.
Mit Schreiben vom 16.01.1947 bewirbt sich Salitter dann beim Oberbürgermeister -Polizeiverwaltung- um „Wiederverwendung im Dienst der Schutzpolizei".

In seinem Gesuch heißt es: „In meiner Wohnung fand ich den Bescheid vor, nach dem ich ... aus dem Amt entlassen bin. Dieser Bescheid trifft mich ausserordentlich hart, da ich aus Ostpreussen stamme, seit 1919 im Polizeidienst stehe und seit dieser Zeit nur meine Pflicht getan habe. Ich verspreche, auch in der neuen Demokratie meine ganze Persönlichkeit in den Dienst der Sache zu stellen, genau so, wie ich es unter der Regierung Wilhelms II, Ebert, Hindenburg und im dritten Reich getan habe, und bitte, mich wieder in der Schutzpolizei - wenn auch im Dienstrang eines Oberinspektors - verwenden zu wollen.
Dass ich in Düsseldorf meine Dienstpflichten gewissenhaft und unparteiisch erfüllt habe, werden sämtliche alten Düsseldorfer Polizeibeamten bestätigen können ... . Bei meiner Entlassung aus dem Internierungslager bin ich vorläufig in Gruppe III des Entnazifizierungsgesetzes eingestuft worden. Mir wurde jedoch die Weisung erteilt, mich in meinem Heimatort Düsseldorf endgültig einstufen zu lassen. ...

„Salitter wurde durch den Einreihungsbescheid (nach Berufung) in die Kategorie III eingestuft.
Gleichzeitig wurden ihm folgende Auflagen erteilt: ‚Bewegungsbeschränkungen, Sperre des Vermögens , Anstellungsbeschränkungen (Ist mit einer Pension von RM. 150.- in den Ruhestand zu versetzen, es ist ihm zu verbieten, eine leitende oder aufsichtsführende Stellung zu bekleiden oder eine Tätigkeit auszuüben, welche die Anstellung oder Entlassung von Personal in einem öffentlichen oder halböffentlichen Betrieb oder in einem bedeutenden Privatunternehmen mit sich bringt.’
Unter Hinweis auf diese Auflagen wurde sein Wiedereinstellungsgesuch mit Datum vom 13.07.1948 durch den Chef der Polizei, Polizeidirektor Leonhard Simons, abgelehnt.
Nach Berufung gegen die Einreihung in die Kategorie III wurde Salitter dann mit Datum vom 14.07.1949 mit der Auflage, ihn „auf den Rang eines Polizeimeisters" zurückzustufen, nun durch den Berufungsausschuss des Entnazifizierungsausschusses im Stadtkreis Düsseldorf in die Kategorie IV eingestuft.
Datiert vom 19.08.1949, legte Salitter dem Chef der Polizei Düsseldorf ein Wiedereinstellungsgesuch vor. In diesem Gesuch bittet er „erneut um Wiedereinstellung in den Dienst der hiesigen Schutzpolizei." Für den Fall, dass eine Wiederverwendung „z.Zt. nicht möglich sein" sollte, bat Salitter seine „Einstellung, ggfs. auch für den Pol. Verwaltungsdienst, für einen späteren Zeitpunkt vorzumerken."

Mit Datum vom 24.08.1949 wird Salitter dann vom Chef der Polizei mitgeteilt, dass eine Einstellung mangels freier Planstellen weder im Exekutiv-, noch im Verwaltungsdienst erfolgen kann. Auch auf ein erneutes Gesuch vom 10.09.1949 wurde Salitter nicht wieder in den Polizeidienst eingestellt. Der entsprechende Ablehnungsbescheid ist vom 22.09.1949 datiert.

Aus dem Jahr 1966 ist ein Schreiben von Salitter an das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen bekannt. Das LKA ermittelte damals in einem Strafverfahren gegen ehemalige Düsseldorfer Angehörige der Gestapo, die an der Organisation von Deportationen beteiligt waren. In seiner Stellungnahme vom 02.08.1966 teilt Salitter mit, er habe erst von lettischen Polizeioffizieren erfahren, dass in Riga massenhaft Juden erschossen wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er gedacht, dass es sich bei dem Transport um eine „Umsiedlungsaktion" handeln würde.

Über den weiteren Lebensweg von Paul Salitter ist nichts bekannt. Paul Salitter verstarb am 08.01.1972.