von Polizeipräsident a.D. Michael Dybowski

„Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode.“ hatte am 24.1.1941 die Journalistin Anna Haag angesichts der vielen von Nachbarn, Bekannten, Freunden um sie herum gedankenlos nachgeschwätzten Popagandasprüche in ihr Kriegstagebuch geschrieben. Und heute? Noch immer gibt es Sympathisanten des NS-Terror- und Unrechtsregimes, noch immer wabert in der Erinnerung an diese Zeit der Gedanke, mitunter auch der bockige Spruch „Aber alles war doch nicht schlecht!“ in vielen Köpfen. Auf die Frage, was denn „nicht schlecht“, vielleicht gar gut gewesen sei damals, bekommt man meist zu hören: Hitler habe den Millionen Arbeitslosen wieder Arbeit gegeben, so durch den Autobahnbau; vielleicht kommt dann noch, man sich hätte auch wieder auf die Straße trauen können oder Anderes - doch schnell erschöpft sich der nachgefragte Erinnerungsschatz.

PDF-LogoBeitrag mit Fußnoten und Quellennachweisen
als PDF

Würde man denken, neugierig sein, nachforschen und nachlesen, sich selbst ein Bild machen und nicht gedankenlos alte NS-Propaganda nachplappern, könnte man wissen, dass der Autobahnbau höchstens 130.000 Menschen Arbeit brachte und dass die Nationalsozialisten mit rigoroser Kriminalitätsbekämpfung alle in Gefängnisse und Konzentrationslager wegsperrten, die ihnen nach „Berufsverbrecher“ und „Volksschädling“ rochen. Man würde erfahren, dass vieles mittels zweifelhafter Finanzoperationen auf Pump und Kosten der Sparer finanziert war, dass die meisten Arbeitslosen erst durch Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935 und durch die weitere Auf- und Kriegsrüstung bis 1938 Arbeit gefunden hatten. Man könnte auch erfahren, dass viele Polizisten – ihren Eid vergessend und brechend – illoyal, hochverräterisch, ehr- und würdelos, einer vermeintlich größeren „Ehre“ hinterher laufend, geblendet von höchst fragwürdigen Versprechen und Aussichten, nicht zuletzt auch eigensüchtig auf besseres Fortkommen hoffend der demokratischen Republik schon vor 1933 den Rücken kehrten, sich den Nationalsozialisten heimlich anschlossen, wenig später ihnen nachrannten, obgleich die ersten Verbrechen bereits im Frühjahr 1933 sie hätten aufhorchen und aufbegehren lassen müssen, und so Mitverantwortung trugen an allem, was folgen sollte, welche Leute ab Januar 1933 die Regierung führten, auch wie bald die von ihnen als Hilfspolizei eingestellten und aus der Staatskasse bezahlten SA- und SS-Stürme andere Menschen verhafteten, quälten, folterten, mordeten. Sie könnten erfahren, dass Reichspräsident von Hindenburg noch im August 1933 von Hitler mit dem Geschenk eines weiteren großen Guts aus preußischem Staatsbesitz - steuerfrei - und im Oktober 1933 darüber hinaus mit einem weiteren Geldgeschenk aus der Staatskasse von 1.050.667 RM korrumpiert wurde, dass 1933 die SA aus der Staatskasse bereits etwas über 45 Mio. RM erhalten hatte, dass von Hitler selbst angeordnet im Sommer 1934 neben vielen SA-Führern auch andere politische Gegner, insgesamt mindestens 90 Menschen, unter wahrheitswidriger Behauptung eines geplanten Putsches ermordet worden und diese Mordtaten von Hitler nur wenig später für „als Staatsnotwehr rechtens“ erklärt worden waren. Sie könnten erfahren und wissen, dass nach heutigen Begriffen seit Januar 1933 „organisierte Kriminalität“ an der Regierung war und sie könnten auch wissen, dass von den Nationalsozialisten und ihren unzähligen Helfern mehr als 6 Millionen jüdische Menschen, denen Hitler jede Kulturfähigkeit abgesprochen, die er gar der „zersetzenden Intellektualität“ und „kulturzerstörend“ gezeiht hatte, ermordet wurden, nur weil sie Juden waren - zumeist unmenschlich grausam von denen, die sich als „kulturbegründende Arier“ und „Herrenvolk“ dünkten.

Würde man denken und nachlesen, würde man wissen, dass mit eigenen Steuern zu den Aufgaben und Kosten des Gemeinwesens, des Staates, beizutragen, ein demokratisches Gebot, auch Gesetz ist, dass für alle Staatsmitglieder, auch Regierungsmitglieder gilt. Wie Hitler es damit - und mit Recht und Gesetz allgemein - hielt und wie ihm dabei willfährig von Gefolgsleuten und Volksgenossen beiderlei Geschlechts „entgegen gearbeitet“ wurde, kann hier am Beispiel „Steuerzahler Adolf Hitler“ nachgelesen werden:

 

Steuerzahler Adolf Hitler

Anlässlich des 46. Geburtstages Adolf Hitlers 1935 hatte Goebbels in seiner Rundfunkansprache überschwänglich den „Zauber seines persönlichen Wirkens und der tiefen Magie seines reinen und unverfälschten Menschtums“ beschworen: „Wie jedes echte Menschtum, so ist auch dieses einfach und klar im Sein wie im Handeln. Das offenbart sich ebenso in den kleinsten wie in den größten Dingen. Die einfache Klarheit, die in seinem politischen Bild Gestalt gewinnt, ist auch das beherrschende Prinzip seines ganzen Lebens. Man kann sich ihn in Pose überhaupt nicht vorstellen. Sein Volk würde ihn darin nicht wiedererkennen. Seine tägliche Speisekarte ist die einfachste und bescheidenste, die man sich überhaupt denken kann. Sie ändert sich in der Aufmachung nicht, ob er nun mit wenigen engeren Freunden oder mit hohem Staatsbesuch zu Tisch geht. […] Adolf Hitler ist eines der wenigen Staatsoberhäupter, die außer einer einzigen hohen Kriegsauszeichnung, die er sich als einfacher Soldat durch höchste persönliche Tapferkeit erwarb, nie Orden und Ehrenzeichen tragen. Das ist ein Beweis für Zurückhaltung, aber auch für Stolz. […] Und hinter allem, was er ist und tut, steht das Wort, das der große Soldat Schlieffen über sein Werk schrieb: „Mehr sein als scheinen!“ .

Wie in der nationalsozialistischen Propaganda so oft, ist eher das Gegenteil wahr. Hier ein Beispiel:

Seit der vorzeitigen Entlassung aus der Festungshaft in Landsberg 1925 begann sich Hitlers Einkommenssituation wesentlich zu bessern. Bereits während dieser Zeit hatte er für das Alleinvertretungsrecht seines Buches „Mein Kampf“ im parteieigenen Eher-Verlag ein üppiges Honorar von 2 RM für jedes verkaufte Exemplar vereinbart, 20 % vom Subskriptions- und 16,6 % vom vorgesehenen Verkaufspreis. Außerdem hatte er sich einen Vorschuss in fünfstelliger Höhe, zahlbar nach seiner Entlassung aus Landsberg, ausbedungen. Von diesem Vorschuss hatte er dann ein mehr als 20.000 RM kostendes Kompressor-Auto der Luxusklasse gekauft. Seinen Lebensunterhalt hatte er noch mit Hilfe eines bei der NSDAP-Hausbank Hansa Bank AG aufgenommenen Darlehens von 45.000 RM bestritten, für das Edwin Bechstein gebürgt und wohl auch den größeren Teil bezahlt hatte.

Seit 1925 war Hitler bei seinem Wohnsitz-Finanzamt München-Ost unter der Steuer-Nr. 29/2753 erfasst worden. Als berufliche Tätigkeit hatte er „Schriftsteller“ angeben. Seine erklärten Einkünfte gegenüber dem Finanzamt als freiberuflicher Autor des Buches „Mein Kampf“ waren zunächst nur mäßig. Doch von Anfang an gab es Streit über die von ihm in hohem Umfang geltend gemachten Betriebsausgaben, die vom Finanzamt erheblich, doch nicht kleinlich reduziert worden waren. Unter anderem hatte er als absetzbare Ausgaben 1925 Schuldzinsen für Darlehen von 2.245 RM angegeben. Bis 1932 waren seine Buchhonorare von 19.843 RM 1925 auf 64.639 RM 1932 und dann 1.232.335 RM 1933 angestiegen.

 

Jahr

Erklärte Gesamt-Einkünfte

Geltend gemachte Abzüge

Bewilligte Abzüge

Festgesetzte Steuerbeträge u. Säumniszuschläge

1925

19843

10285

6265

1552

1926

15903

31209

6916

922

1927

11494

13452

7979

351

1928

11818

9991

5493

605

1929

15448

9411

4613

1264

1930

48472

26892

14292

6575

1931

55132

26488

14644

9130

1932

64639

35188

19894

12130

1933

1232335

616167

616167

297005

 

1925 hatte Hitler für 1000 RM Jahresmiete das nahe dem Platterhof auf dem Obersalzberg liegende „Haus Wachenfeld“ angemietet, das einem Fabrikanten aus Buxtehude gehörte und das er 1928 für 30.000 RM kaufte. Er beschäftigte einen Privatsekretär (Rudolf Heß), einen Leibwächter (Julius Schaub) und einen Chauffeur (Julius Schreck). Des öfteren ließ sich Hitler mit Beträgen von einigen tausend Mark aus der Parteikasse ausstatten, ohne dass sein Name erscheinen durfte. Schatzmeister Schwarz musste sie als „Sonderausgaben für Werbemaßnahmen“ verbuchen. Seinen Vorschlag, sich monatlich „als Gehalt“ eine bestimmte Summe auszahlen zu lassen, hatte Hitler abgelehnt: er wolle keinen Pfennig von den Beiträgen in Anspruch nehmen, die mancher arme, vielleicht sogar arbeitslose Parteigenosse sich abgespart habe.

Im Frühjahr 1929 kaufte sich Hitler einen neuen Mercedes, Modell 15/70, Kompressor mit 100 PS. Seit dem 5.10.1929 bewohnte er in München-Bogenhausen am Prinzregentenplatz eine 397 qm große Wohnung, die lt. Mietvertrag neun Zimmer, zwei Küchen, zwei Kammern und zwei Badezimmer enthielt. Sie kostete 4.176 RM/Jahr. Er bewohnte sie mit Maria Reichert, seiner ehemaligen Vermieterin aus der Thierschstraße und nunmehrigen Haushälterin, und seiner Nichte Geli Raubal, die beide je ein Zimmer darin hatten. Außerdem beschäftigte er ein Dienerehepaar und eine Putzfrau. In der Öffentlichkeit hatte er stets betont, er würde darin nur drei Zimmer haben.

Seine Einkünfte bestanden seit 1930 wesentlich – so seine Angaben; doch fraglich bleibt, ob er dabei alles erklärt hatte - aus dem Verkauf seines Buches „Mein Kampf“, dessen Verkauf mit einer preiswerten Volksausgabe steil angestiegen war. Von den 8 RM, die jeder Band kostete, erhielt er 10 %. Bei mehr als 50.000 verkauften Exemplaren hatte Hitler für 1930 Einkünfte von 45.472 RM angegeben, für das folgende Jahr bei 50.808 Exemplaren 40.780 RM und für 1932 für ca. 90.000 Ex. Einnahmen von 62.340 RM. Abzüglich von Werbungskosten hatte er 1932 auf 44.745 RM Einnahmen 12.130 RM an Steuern zu entrichten.

In Berlin pflegte Hitler zu dieser Zeit im luxuriösen Hotel „Kaiserhof“ am Wilhelmsplatz zu wohnen; dort berechnete das Hotel 1931 für 7 Zimmer bei einem Aufenthalt von 3 Tagen einschl. aller Mahlzeiten 650,86 RM. - mehr als ein Reichsbürger durchschnittlich im Monat verdiente. Der Durchschnittslohn eines Arbeiters lag 1931 bei 192,- RM/mtl. ; das Durchschnittsentgelt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 1931 bei 1.924,- RM/Jahr.

In seiner – verspätet abgegebenen - Steuererklärung für das Jahr 1932 hatte er erklärt: „Ich bin von Beruf Schriftsteller und wohnte am Ende des Steuerabschnitts in München, Prinzregentenplatz Nr. 16/II; ich bin kath. Religion […] Gewinn aus sonstiger selbständiger Berufstätigkeit, Art der Berufstätigkeit Schriftsteller, siehe Beilagen. Gesamtbetrag (der Schriftstellereinkünfte) 61 849,75 RM; Summe der Abzüge 35 188,35 RM; Einkommen 26 661,40 RM. Ich versichere hiermit, die vorstehenden Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben. Z.Zt. Berlin, den 3. Mai 1933, Adolf Hitler“ (eigenhändige Unterschrift). Aus dem Berechnungsbogen des Finanzamts zur Einkommensteuer (ESt) 1932: Reineinkünfte aus sonstiger selbständiger Berufstätigkeit 43 505,- RM; aus nichtselbständiger Arbeit (1932 vorübergehend Regierungsrat im Freistaat Braunschweig-Anhalt lt. Lohnsteuerbescheinigung auf Steuerkarte 1932). Einkommen (nach Abzug der Werbungskosten) 44 245,- RM. Verbleibende Steuerschuld (nach Tabelle 1932) 11 895,35 RM“. Vermerk: „Von den geltend gemachten Werbungskosten wurden die Anschaffungen für Bücher in voller Höhe, die restlichen mit der Hälfte zum Abzug zugelassen/Regelung wie in den Vorjahren“.

1933 hatten sich Hitlers Einkommensverhältnisse bedeutend geändert. Sein Honoraranteil für die Volksausgabe „Mein Kampf“ war auf 15 %, also auf 1,20 RM pro verkauftes Exemplar gestiegen. Hinzu kamen ab 30.1.1933 seine Dienstbezüge als Reichskanzler: 29.200,- RM zusätzlich einer Aufwandsentschädigung von 18.000,- RM.

Am 5. Februar 1933 hatte die Reichspressestelle der NSDAP bekannt gegeben, Hitler habe auf sein Kanzlergehalt Verzicht geleistet – das sei für ihn „ein Ehrenamt“. Er habe sein Einkommen als Schriftsteller selbst verdient. Die Gehaltsbezüge wolle er für einen Unterstützungsfonds für die Angehörigen der in den politischen Unruhen der vergangenen Jahre gefallenen SA-, SS-Männer und Polizisten zur Verfügung stellen. Entsprechend groß war diese Großzügigkeit im Völkischen Beobachter vom 7.2.1933 aufgemacht worden. Steuerrechtlich waren die Gehaltseinkünfte dennoch ihm zuzurechnen.

Hinsichtlich der Steuerpflicht hatte darüber auch der Staatssekretär der Reichskanzlei, Lammers, am 8.3. 1933 mit dem Reichsfinanzminister korrespondiert, der unter dem 15.3.1933 erwidert hatte: „Auf das gefällige Schreiben vom 8.3.1933 – RK 2023 – betreffend Verzicht des Herrn Reichskanzlers auf seine Gehaltsbezüge erwidere ich ergebenst: Ich habe den Herrn Präsidenten des Landesfinanzamts Berlin angewiesen, daß von der Heranziehung der Gehaltsbeträge, die auf Anordnung des Herrn Reichskanzlers statt an ihn an ein Kuratorium zugunsten der Hinterbliebenen von erschossenen SA- und SS-Leuten und Polizeibeamten gezahlt werden, zur Einkommensteuer, insbesondere zum Steuerabzug vom Arbeitslohn, zu den Zuschlägen zur Einkommensteuer, der Krisensteuer der Veranlagten und zur Abgabe zur Arbeitslosenhilfe abgesehen wird. Soweit das Einkommen nicht zu der Einkommensteuer herangezogen wird, scheidet es auch als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Bürgersteuer aus. Der Herr Präsident des Landesfinanzamts Berlin wird sich erforderlichenfalls mit dem Herrn Präsidenten des Landesfinanzamts München zwecks Durchführung dieser Anweisung ins Benehmen setzen. gez. Graf Schwerin von Krosigk.“ Am 31.3.1933 hatte der zuständige Sachbearbeiter in München in der Steuerakte vermerkt: „Es stellt sich die Frage, ob die Steuerpflicht des Reichskanzlers sich nicht nur auf sein übriges Einkommen, sondern auch auf seine Dienstbezüge erstreckt. Die Erhöhung des Gesamtbetrags der Einkünfte würde wegen der höheren Progressionsstufe zu einem wesentlich größeren Steuerbetrag führen,was eine ungerechtfertigte Härte bedeuten würde, nachdem der Kanzler sein Gehalt großzügig für wohltätige Zwecke zur Verfügung gestellt hat.“

Des Weiteren hatte am 30.1.1934 der Staatssekretär im Reichsministerium der Finanzen, Fritz Reinhardt, für die Steuerveranlagung 1933 nachgeschoben: „Herrn Reichskanzler Adolf Hitler, Berlin. Im Hinblick auf die außergewöhnlichen Aufwendungen, die Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Führer des Deutschen Volkes erwachsen, erkläre ich mich damit einverstanden, daß Sie von den Roheinkünften, die Sie im Steuerabschnitt 1933 erzielt haben, 50% als Werbungskosten absetzen. In Vertretung gez. Reinhardt“

Entsprechend hatte der Finanzbeamte in München Hitlers Honorarbezüge nur zur Hälfte erfasst, was immerhin noch einen Steuerbetrag von 297.005 RM ergab, der für 1933 so festgesetzt und Hitler Ende August 1934 zugestellt worden war. Die Zahlungsfrist war Ende September 1934 abgelaufen und da nicht gezahlt worden war – nach dem Tode Hindenburgs hatte Hitler seit dem 2.8.1934 auch die Funktion des Staatsoberhaupts übernommen, hatte der pflichtbewusste Finanzbeamte eine gesetzlich vorgeschriebene Mahnung verfasst: Die Rückstandsanzeige vom 20.10.1934 wies noch ausstehende Restzahlungen von 272.190 RM Einkommensteuer für 1933 sowie 24.383,20 RM Kirchensteuer, 14.315 Ehestandshilfen und 23.776,70 RM Umsatzsteuer aus sowie weitere Vorauszahlungen für 1934, insgesamt einen Betrag von 405.494 RM. Diese Steuerschuld – „ohnehin überaus mäßig angesetzt“ – wurde von Hitler nie mehr bezahlt, von einigen geringfügigen vierteljährlichen Vorauszahlungen aufgrund seines weit geringeren Einkommens aus 1932 abgesehen.

Da nun die Vollstreckung drohte, hatte sich der Finanzbeamte mehrmals an Hitlers Adjutanten Schaub zu wenden versucht – ohne Erfolg. Am 13.11.1934 hatte er dann von Schaub die lapidare Mitteilung erhalten: „Hinsichtlich der Steuerangelegenheit des Reichskanzlers teile ich Ihnen mit, daß Sie sofort nach Rückkehr des erkrankten Staatssekretärs Reinhardt Weiteres erfahren werden. Ich bitte Sie, sich bis dahin zu gedulden.“ Schaub hatte sich in dieser Frage an das Reichsfinanzministerium gewandt und erreicht, dass der Referent des noch erkrankten Staatssekretärs, Oberreg.Rat Herting, am 27.11.1934 an den Vorsteher des Finanzamts München-Ost schrieb, er habe erfahren, dass „hinsichtlich der Steuerangelegenheiten des Führers irgendwelche Entscheidungen getroffen oder Zahlungen geleistet werden müssen“; Schaub wolle die Sache mit Staatssekretär Reinhardt besprechen, der leider noch längere Zeit nicht im Dienst sein werde; er wäre dankbar, wenn aufschiebbare Entscheidungen bis dann zurück gestellt werden könnten. Der Vorsteher entschied sich, die nun heikel gewordene Sache an seine vorgesetzte Behörde, das Landesfinanzamt München, heranzutragen.

Am 10.12.1934 gab der Präsident des Münchener Landesfinanzamts, Ludwig Mirre, dem Finanzamts-Vorsteher daraufhin kund und zu wissen: „Ich habe die Steuerangelegenheit des Führers inoffiziell mit dem Staatssekretär erörtert. Wir stimmen darin überein, daß der Führer im Hinblick auf seine verfassungsrechtliche Stellung nicht steuerpflichtig ist und daß es eine verfassungsrechtliche Frage ist, ob und inwieweit der Führer einem Steuerpflichtigen gleichzustellen ist. Überdies würde die Ausfertigung und Zustellung eines Steuerbescheides an sich keine gesetzliche Steuerpflicht begründen. Alle Steuerbescheide sind, soweit sie eine Verpflichtung für den Führer begründen sollten, nichtig. Ich bitte daher, in der Angelegenheit bis auf Weiteres nichts zu veranlassen, sondern dafür zu sorgen, daß die Vorgänge unter Verschluß gehalten und die erhobenen Steuern nicht als Rückstände gemeldet werden.“

Eine nähere verfassungsrechtliche Erläuterung, geschweige denn Begründung ließ das Schreiben jedoch vermissen. In Art. 134 der Weimarer Reichsverfassung stand der ausdrückliche Verfassungsbefehl: „Alle Bürger tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.“ und auch die Reichsabgabenordnung von 1919 bestimmte eindeutig, dass die Steuern „allen“ auferlegt werden (§ 1 RAO). Offensichtlich war mit dieser Entscheidung hier nochmals bekundet, dass Hitler als Führer und Reichskanzler außerhalb der sonst für alle geltenden Rechtsordnung stehe, was bereits sein eigenes Gesetz nach den von ihm angeordneten Mordtaten in der Röhm-Affäre Ende Juni/Anfang Juli 1934 bezeugt hatte, dass die „zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogene(n) Maßnahmen“ „als Staatsnotwehr rechtens“ seien

Überraschend ist solche Interpretation Reinhardts von Recht und Verfassung nicht. Fritz Reinhardt war - nach persönlicher Intervention Hitlers - seit dem 1.4.1933 neuer Staatssekretär im Reichsfinanzministerium geworden; er bestimmte das Steuerrecht. Im Herbst 1934 hatte Reinhardt ein Steueranpassungsgesetz geschaffen, in dem in seinen allgemeinen Vorschriften in unmissverständlicher Klarheit wesentliche Teile der Reichsabgabenordnung durch die „nationalsozialistische Weltanschauung“ ersetzt und damit auf sämtliche Steuergesetze übertragen worden waren.

Darin hieß es in § 1:
(1) Die Steuergesetze sind nach nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen.
(2) Dabei sind die Volksanschauung, der Zweck und die wirtschaftliche Bedeutung der Steuergesetze und die Entwicklung der Verhältnisse zu berücksichtigen.
(3) Entsprechendes gilt für die Beurteilung von Tatbeständen.

In Gesetzeskommentaren legte Reinhardt die steuerliche Generalvorschrift des § 1 StAnpG auch für Gesetze und Bestimmungen aus Zeiten vor dem 30. Januar 1933 aus. Was unter „nationalsozialistischer Weltanschauung“ zu verstehen war, war nirgendwo bindend definiert ; also willkürlich einsetzbar. Er selbst hatte in einem Vortrag ausgeführt: es „ist, kurz gesagt, alles richtig, was dem Volksganzen nützt, und alles falsch, was dem Volksganzen abträglich ist.“

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass Gerhard Wacke – aus der Finanzverwaltung in Breslau kommend, an der Universität Breslau lehrend und „zu sehr Jurist , um die ursprüngliche Steuerungsfunktion des Rechts für eine geordnete und rechtsgebundene Verwaltung preiszugeben“ - im Wissen und der Überzeugung, dass das Finanz- und Steuerrecht in einem Brennpunkt des politischen Staatsgeschehens stehe und ein eminent politisches Gehalt habe, im Zusammenhang um die Durchsetzung des politischen Grundsatzes „Gemeinnutz vor Eigennutz“ daran erinnerte, dass der Garde der Nationalsozialistischen Revolution durch die Aufrufe des Stellvertreters des Führers, Heß, ehrliche Steuererklärungen abzugeben und pünktlich die Steuern zu zahlen, die Aufgabe gestellt sei, von der weltanschaulichen, politischen Seite her die Voraussetzungen für eine gerechte Anwendung der steuerlichen Normen zu schaffen.

In München wurde das Steuer-Verfahren Hitler ab 1933 weisungsgemäß niedergeschlagen. Abschließend hatte der Vorsteher des Finanzamts München-Ost in den Akten verfügt: „ Ich habe Präsident Mirre kürzlich in einer Besprechung empfohlen, dafür zu sorgen, daß der Führer von der beabsichtigten Steuerfreistellung unterrichtet wird, da ihm seine Steuerangelegenheit sicherlich nicht gleichgültig seien. Präsident Mirre versprach, die Frage mit Herrn Reinhardt (Staatssekretär) zu erörtern. Am 25. Februar 1935 teilte mir der Präsident Mirre telefonisch mit, Staatssekretär Reinhardt habe dem Führer die rechtliche und verfassungsmäßige Begründung seiner Steuerfreistellung in seiner Eigenschaft als Staatschef vorgetragen, und der Führer stimme mit der Auffassung von Herrn Mirre und Herrn Reinhardt überein. Damit war die Steuerfreistellung des Führers endgültig. Ich habe daraufhin sämtliche Akten des Führers einschließlich der Steuerkarten aus dem Amtsverkehr gezogen und unter Verschluß genommen. gez. Lizius.“

Der „steuerfrei“ gestellte Hitler verschwand am 12.3.1935 aus den Blicken der Finanzverwaltung – sowohl für seine Buch-Tantiemen als auch für seine Bezüge als Reichskanzler und Reichspräsident, die er sich alsbald nach der erklärten Steuerfreistellung wieder auszahlen ließ, ohne dass das öffentlich wurde, und alle weiteren Einkünfte und fragwürdigen Bereicherungen aus öffentlichen und anderen Kassen.

Für die 12,4 Mio. Exemplare Gesamtauflage des Buches „Mein Kampf“ hat Hitler mehr als 12 Mio. RM Buch-Tantiemen kassiert. 1944 soll sein Autorenkonto bei Eher-Verlag trotz erfolgter Auszahlungen und Abhebungen noch 5,5 Mio RM betragen haben.

Weit mehr, wahrscheinlich mindestens 50 Mio. RM soll er seit 1937 für den Abdruck seines Bildes auf deutschen Briefmarken, die sich deutlich vermehrt hatten und von den Freimarken 1941/44 abgesehen allesamt Marken mit hohen, den Portowert weit übersteigenden Zuschlägen waren, als Nutzung seines Persönlichkeitsrechts am eigenen Bilde von der Reichspost erhalten haben. Jahr für Jahr überbrachte Reichspostminister Ohnesorge persönlich zu Führers Geburtstag den Scheck über einen zweistelligen Millionenbetrag. Ob es sich dabei allein um die Vergütung des Rechts am eigenen Bilde handelte oder auch die Zuschläge umfasste, ist nicht näher erwähnt, aber möglich.

Einer, der neben Hitler selbst und Goebbels an dem Bild des einfachen Volksführers, ersten Arbeiters usw. engagiert mit gestrickt und dabei kräftig mit verdient hatte - er war darüber zum Millionär geworden, auch zum Professor ernannt worden war, war Hitlers Leibfotograf, „Führerfotograf“ und "Reichsbildberichterstatter der NSDAP" Heinrich Hoffmann gewesen. Seit er das von ihm 1914 geschossene Foto von dem Menschenauflauf vor der Feldherrnhalle – unter ihnen hatte er durch Zufall Adolf Hitler entdeckt – mit vergrößertem Bildausschnitt Hitler zum Geschenk gemacht hatte, waren beide Freunde geworden und hatten besiegelt, dass Hoffmann zukünftig allein das Recht haben sollte, Hitler zu fotografieren; nur seine Fotos würden von ihm zur Veröffentlichung autorisiert werden. Zehn Prozent der Verkaufserlöse sollte Hitler erhalten. In den Untersuchungen zu Hitlers Steuererklärungen ist davon nichts erwähnt.

Einträglicher noch für Hitler war die „Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft“. Angeregt worden war diese Spendenaktion - um den „nationalen Wiederaufbau“ zu unterstützen - im Frühjahr 1933 von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach in seiner Funktion als Präsident des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI) , Hjalmar Schacht und Martin Bormann bei einem Treffen von Hitler, Göring und Schacht mit Vertretern wichtiger Unternehmen Sie war ab Juni 1933 eingeführt worden, zunächst freiwillig, entwickelte sich jedoch mehr und mehr zu einer Art Zwangsabgabe von zahlreichen Betrieben in Industrie, Gewerbe, Banksektor und Landwirtschaft, da sie so den vielen sonstigen Spendensammlungen aus dem Umfeld der NSDAP entgehen konnten. Die Gelder der Adolf-Hitler-Spende flossen in einen Privatfonds, über den Hitler nach Gutdünken verfügen konnte. Zum Verwalter dieses Spendenkontos war Martin Bormann bestellt, der daraus einen Teil der Kosten für den Ausbau des „Hauses Wachenfeld“ zur repräsentativen Alpenresidenz, den „Berghof“, bestritt. Bis 1945 waren 700 Millionen RM an Spenden zusammen gekommen.

Am 6.8.1944 hatte Bormann als Leiter der Parteikanzlei mit Rundschreiben Nr. 171/44 an die Parteigenossen appelliert: „ [...] Ich wiederhole, was ich schon vor einiger Zeit im Auftrage des Führers betonte: Der beste Politische Leiter ist nicht derjenige, der regiert und befiehlt, sondern der wirklich volksverbundene Führer, dem die Herzen der ihm anvertrauten Menschen gehören. […] Das Attentat vom 20.7.1944 galt dem Deutschen Volksstaat! […] Uns aber soll dieses Attentat mahnen! […] Erinnern wir uns dessen und werfen wir alles über Bord, was diesem Ruf schaden muss! Nur wer einfach, wer bescheiden lebt, wird als Volksführer anerkannt, während jeder der anders handelt, dem Ansehen des nationalsozialistischen Staates schadet. Nur wenn unsere persönliche Haltung und Lebensführung die Voraussetzung dafür bieten, können wir unserem ganzen Volke zum Bewusstsein bringen, dass dieser Krieg jetzt in das Stadium des heiligen Volkskrieges getreten ist […] .“

1935 hatte Goebbels zu Hitlers Geburtstag den Spruch des „großen Soldaten Schlieffen“ über sein Werk bemüht: „Mehr sein als scheinen!“. Doch wie in der nationalsozialistischen Propaganda so oft, war eher das Gegenteil wahr: mehr Schein als Sein – wobei der Schein, um zu sein, nicht minder gefährlich war.

 

PDF-LogoBeitrag mit Fußnoten und Quellennachweisen
als PDF