Erinnern an Franz Jürgens?
Erinnern ist problematisch. Wäre es besser zu vergessen?
Vor einigen Tagen, am 5.5.2023/14. Ijar 5783, wurde in der Jüdischen Allgemeinen der „Fall Franz Jürgens“ neu verhandelt: Nach ihm seien ein Platz, eine Straße, eine Schule in unserer Stadt benannt, weil er sich kurz vor Kriegsende gegen die Nazis gewandt habe. Doch zuvor sei er in Darmstadt für die Deportation von Juden mitverantwortlich gewesen. Regelmäßig fänden am Ort der Hinrichtung von Jürgens und der Männer der Aktion Rheinland in Düsseldorf Gedenkveranstaltungen zu Ehren von Franz Jürgens und seiner Mitstreiter statt. „War Franz Jürgens ein Held, ein Vorbild?“ Die öffentlichen Würdigungen, die ihm zuteilwerden, erweckten solchen Eindruck. Das findet in der Jüdischen Allgemeinen harsche Kritik: „Es [sei] unglaublich, dass es im Jahre 2023 immer noch möglich [sei], einen Nazi-Schergen wie Franz Jürgens zu ehren“, das sei „Geschichtsklitterung“ - so der Vorwurf des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Darmstadt. Doch Unverständnis, Kritik kommen nicht nur von ihm. Nicht gefragt wird, an was und wie erinnert wird. Das Urteil steht: Franz Jürgens muss weg aus dem Stadtbild, aus der öffentlichen Wahrnehmung. An die Folgerungen und Folgen wird nicht gedacht.
Das Problem hat die Rheinische Post in Düsseldorf unter Düsseldorfer Stadtpost, C 1, am 9.5.2023 aufgegriffen, auch die BILD-Zeitung in der ihr eigenen Art.
Nun sind Unverständnis und Anklage, dass es und immer noch einen Franz-Jürgens-Platz, eine Franz-Jürgens-Straße und eine Franz-Jürgens-Schule in Düsseldorf gibt, wo doch dieser Franz Jürgens Nazi, als hoher Polizeioffizier in das NS-Regime verstrickt und so auch Mittäter an einem Völkermord gewesen sei, nicht neu. Hilft der Artikel weiter? Etwa in unserem Bemühen, den erneut wuchernden Antisemitismus einzudämmen, wenn Straßen oder Schulen einfach umbenannt und Namen, Personen aus dem Straßenbild und damit aus der Erinnerung, dem öffentlichen Bewusstsein entfernt werden?
Wir nehmen die erneute Anklage im „Fall Franz Jürgens“ mit der Aufforderung und Mahnung, sich damit nochmals zu beschäftigen und auseinander zu setzen, mit in unsere weitere Arbeit, obwohl es solcher nicht bedarf. Dies geschieht in Düsseldorf seit Jahrzehnten. Die jährlichen Erinnerungen an den 16./17. April 1945 zeigen es: sie sind nicht erstarrte Rituale – ebenso wie die Erinnerungen an die Deportationen jüdischer Menschen aus Düsseldorf und an die Pogromnacht in Düsseldorf. Jene, die diese Erinnerungen und Gedenken in und für die Bevölkerung wachhalten, sind engagiert und ernst dabei, wissen um das, was geschehen ist, um manche Problematik. Denn erinnern und gedenken heißt immer auch denken und bedenken.
Bringt der Artikel neue Erkenntnisse im „Fall Franz Jürgens“? Nein. Manches ist falsch dargestellt, unterstellt. Doch zeigt er, dass Menschen daran Anstoß nehmen, dass der Name Franz Jürgens im Düsseldorfer Straßenbild noch nicht gelöscht ist. Wir nehmen diese Kritik an. Auch wenn seine inhaltliche Argumentation – die an wenigen Fakten festgemacht und ausgebreitet ist - wohl kaum Anspruch erheben kann, die Wahrheit zu und über Franz Jürgens annähernd zu wissen.
Was allerdings an diesem Bericht irritiert, ist die Rigorosität, mit der über einen Menschen geurteilt wird, von dem man doch nur drei bis vier Fakten kennt, diese aber nicht einmal einzuordnen weiß.[1] Erstaunlich ist ebenfalls, mit welcher Selbstgewissheit heute – nach 88 Jahren - angemaßt wird, zu behaupten und anzuklagen, die seit 1945 in und für Düsseldorf Verantwortlichen seien blind gewesen, hätten damals falsch gehandelt und bis heute einen Fehler nicht korrigiert, obgleich sie dies längst hätten tun müssen.
Schon damals wussten die Menschen, insbesondere die Mitstreiter in der Aktion Rheinland, dass Jürgens einer das mörderische NS-Regime wesentlich mittragenden Institution angehört und in dieser Karriere gemacht hatte. Sie hatten erlebt, was die Polizei in Düsseldorf getan hatte; so viel anders als in Darmstadt wird es nicht gewesen sein. Auch wenn die Überlieferung von „Jürgens Rolle bei den Darmstädter Deportationen schlecht“ sei und auch in diesem Artikel nicht durch Neues erhellt wird, lässt sich doch solche Rolle aus erhaltenen Quellen andernorts rekonstruieren: Die Schutzpolizei war von höherer Stelle angewiesen, die Gestapo bei den Deportationen zu unterstützen, auch die Begleitmannschaften zu stellen.
Franz Jürgens ist in Düsseldorf – wegen seiner Verstrickungen in das NS-Regime - nie als „ein Held, ein Vorbild“ schlechthin gesehen worden, auch wenn man an seinen Namen und sein Handeln im April 1945 bis heute erinnert – und aus seinem Lebensweg manches lernen kann, was auch heute wichtig ist. Mit Namensbenennungen ist er – bei aller Problematik - gewürdigt worden, weil er in einem entscheidenden Moment für Wohl und Wehe der noch übrig gebliebenen Stadt und der hier noch wohnenden Menschen aufständische Bürger in ihrem Tun unterstützt, mit ihnen gehandelt und sie nicht einfach verhaftet hat, wie es dann doch noch andere taten. Es waren höchstwahrscheinlich die Mitstreiter der Aktion Rheinland selbst, die darauf drängten, dass Platz, Straße und Schule nach Franz Jürgens benannt wurden, weil es ihnen wichtig war, auch Jürgens unter denen zu wissen, derer erinnert und gedacht werden sollte.
Die Düsseldorfer Polizei hat weder damals noch heute Einfluss darauf genommen – wohl hat sie sich am Jürgensplatz seit einigen Jahrzehnten, genauer seit 1983, bemüht und ihr Bemühen dauert an, die Geschichte der Düsseldorfer Polizei vor allem in diesen finsteren Jahren der NS-Zeit aufzuarbeiten, wach zu halten und für die Erinnerungs- wie die Erziehungsarbeit in der Stadt wie auch in der Polizei nutzbar zu machen – Seite an Seite und partnerschaftlich verbunden mit der Stadt und ihrer Mahn- und Gedenkstätte und der Erinnerungsstätte „Alter Schlachthof“. So mahnen im Düsseldorfer Polizeipräsidium an unübersehbarer Stelle im Foyer die Anschriften der Tatorte an das, was in der Reichspogromnacht im November 1938 dort jüdischen Menschen angetan wurde. Düsseldorfer Polizisten waren in Auschwitz und anderen Tatorten in Polen, auch vor einigen Jahren eingeladen von der Gedenkstätte Yad Vashem zu einem dortigen Seminar – erstmals auf ausdrücklichen Wunsch der einladenden Institution „in Uniform“.
Die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, die Düsseldorfer Polizei sowie der Düsseldorfer Polizeigeschichtsverein „Geschichte am Jürgensplatz e.V.“ wissen etwas mehr über den „Täter“ Franz Jürgens, als in den Zeitungen verbreitet wird - auch wenn Selbstzeugnisse von ihm nicht überliefert sind. Vor einigen Jahren hat Hermann Spix, Mitglied und stellvertretender Vorsitzender im Polizei-geschichtsverein, in Jürgens Heimat, in Einbeck, dann auch in Lübeck (Herkunft des Vaters) geforscht, um mehr über seine Familie, seine Jugend und seine Schulzeit heraus zu finden.[2] Dass solche Aufklärungsarbeit über die NS-Zeit und das Handeln von Polizei in dieser Zeit auch von der Düsseldorfer Polizei und dem Polizeigeschichtsverein seit längerem und kritisch betrieben wird, scheint nicht weit bekannt zu sein – obwohl es diese Webseite „Geschichte am Jürgensplatz e.V.“ gibt und es hin und wieder in den Zeitungen stand.
Die Stadt Düsseldorf hat seit 2018 mit Unterstützung des Stadtarchivs und der Mahn- und Gedenk-stätte die Düsseldorfer Straßenbenennungen kritisch durchgesehen und bewertet. Der Jürgensplatz ist im unlängst vorgelegten Abschlussbericht und basierend auf den derzeit vorliegenden, gesicherten Erkenntnissen, in der Kategorie C „unbelastet“ eingestuft worden, wobei als unbelastet nicht nur „völlig unbedenkliche Benennungen“ fallen, sondern auch „solche, die heutzutage nicht mehr durchgeführt würden“. Zur Begründung nennen die Gutachter „Vorbildfunktion / selbstreflektierendes Handeln / persönliche Entwicklung“ von Jürgens. Über dessen Tätigkeit in Darmstadt heißt es im Kurzgutachten des Beirats zur Überprüfung von Düsseldorfer Straßen- und Platzbenennungen: „Inwieweit sich Jürgens an weiteren antisemitischen Maßnahmen beteiligt hat, bleibt unklar. Fest steht, dass er während des Zweiten Weltkriegs nicht in die Vernichtungsaktionen der „Schutzstaffel“ (SS) und der Polizei in den besetzten Gebieten involviert war, obwohl seine Position einen solchen „Werdegang“ durchaus hätte begünstigen können. Auch die überlieferten Tagesbefehle lassen aufgrund ihrer rein informativen und zweckdienlichen Sprache nur bedingt Rückschlüsse auf Jürgens persönliche Gesinnung zu. Darüber hinaus existiert eine „Sippenakte“ der SS aus dem Jahr 1944, die eine vermeintliche Aufnahme von Franz Jürgens suggeriert; ein entsprechender Antrag oder eine Mitgliedsnummer konnten indes nicht ausfindig gemacht werden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Ehepaar Jürgens lediglich im Zuge der sukzessiven Angliederung der Polizei an die SS „erbgesundheitlich“ überprüft worden ist.“
Bei der nun dennoch aufkommenden Diskussion um Franz Jürgens als Namensgeber bleibt zu bedenken, dass öffentliche Aufarbeitungs- und Erinnerungsarbeit und mit ihr neben Gedenken auch Bedenken zu leisten, problematisch bleibt, wenn auch Erinnerungsorte und -personen aus dem Straßenbild, aus der Öffentlichkeit getilgt werden. Zu schnell gerät mit dem Erinnerungsgegenstand auch die Erinnerung selbst aus dem Blick und geht verloren. Erinnern, Gedenken, Bedenken brauchen auch Orte, an denen sich Erinnern, Nachdenken, Nachforschen, Auseinandersetzen, Bedenken, Ringen um die Wahrheit, zumindest um ihre Annäherung und die rechte Sicht reiben, entzünden, vielleicht auch festbeißen können – nur so bleibt Erinnerung Erinnerung – nicht um sich selbst zu feiern, sondern um Erkenntnisse und Wissen zu gewinnen und zu vermitteln an andere, künftige Generationen – auch im Kampf gegen Antisemitismus, der immer bleiben wird, da er auch ein Kampf gegen Unvernunft und Dummheit ist – nicht, dass man all das hinnehmen und dulden müsste.
11.5.2023, Polizeipräsident a.D. Michael Dybowski
[1]In der im Artikel erwähnten Webseite von Yad Vashem, auf die sich der Verfasser für ein „Dankesschreiben“ Jürgens' an seine Mitarbeiter hinsichtlich der Deportation am 30.9.1942 beruft und aus ihr zitiert, ist eine Darstellung der Gedenkstätte nicht das Original des Kommandobefehls, s. unter https://deportation.yadvashem.org/index.html?language=de&itemId=9439306&ind=-1 (8.5.2023)
[2]Hermann Spix: Franz Jürgens. Kommandeur der Düsseldorfer Schutzpolizei und die „Aktion Rheinland“, in Einbecker Jahrbuch, Bd. 53 (2018), S. 125-131
Das richtige Gedenken? Fragen statt Antworten zum Gedenken an den 16. April 1945
![]() Ansprache von Claudia Siebner, Enkelin von Aloys Odenthal, beim Gedenken am 17.04.2023 |
![]() Ansprache der stellvertretenden Polizeipräsidentin Silke Wehmhörner am 17.04.20233 |
„... und anstatt der Fragen ein paar Antworten geborgen,
deren Wert wir indes schon zweifelnd betrachten. ...“
Prinz Oscar von Preußen, gefallen am 5.9.1939
Das richtige Gedenken?
Fragen statt Antworten zum Gedenken an den 16. April 1945
von Polizeipräsident a. D. Michael Dybowski
16. April 1945 - Sagt Ihnen der Tag etwas? Sagt er überhaupt etwas? Haben Sie einem Gedenken in Erinnerung dieses Tages einmal beigewohnt, das Jahr für Jahr in unserer Stadt Düsseldorf geschieht, wiederholt wird nach gleichem oder ähnlichem Ritual mit Kranzniederlegungen und kurzen Ansprachen von Oberbürgermeister, Polizeipräsident oder anderen?
Ich wende mich nicht gegen Gedenken, Gedenktage, Gedenkrituale. Doch gilt es, wachsam zu sein, dass hinter und unter allem Ritualen das Anliegen selbst wach, bewusst bleibt. So bleiben - 78 Jahre ist es her - die Fragen: Woran gedenken wir? Gedenken wir wirklich? Gedenken wir richtig?
Es waren die Fragen, die dem jungen Prinz Oskar von Preußen[1] wichtiger erschienen als Antworten, als er, vierundzwanzigjährig, 1939 in den Krieg gegen Polen zog und wenige Tage darauf fiel: „ ... Wir haben nur Helm und Waffe mitgenommen und anstatt der Fragen ein paar Antworten geborgen, deren Wert wir indes schon zweifelnd betrachten. ...“.[2] Die Fragen gilt es zu behalten neben allen Antworten. Sie gilt es zu bewahren. Sie bleiben und sie drängen: „Warum?“ und „Wie?“ - auch heute.
Neues zur „Aktion Rheinland“
Mehr als 40 Interessierte waren gekommen, um am 13.11.2022 im Goethe-Museum in Düsseldorf dem ehemaligen Richter am OLG Düsseldorf, Karl-Heinz Keldungs, bei der Lesung aus seinem Buch „Die Aktion Rheinland“ zuzuhören. Es war spannend, unaufgeregt und aufschlussreich, nicht frei von emotionalen Momenten.
Gedenken zum 9. November
Am 9. November jeden Jahres gedenken wir des Leids, das den jüdischen Menschen bei uns 1938 an diesem Abend und den folgenden Tagen in einer von Nationalsozialisten bewusst entfesselten, erbarmungslos gewalttätigen Hetzjagd von aufhetzenden und aufgehetzten Menschen zugefügt worden ist. Mit unserem Gedenken wollen wir den damals Verfolgten und Gepeinigten etwas von der menschlichen Würde zurück geben, die ihnen damals, doch schon zuvor und noch schlimmer danach, vor aller Augen geraubt worden war. In unserem Gedenken wollen wir daran auch erinnern, dass wir ihnen in ihrer Not und Gefahr nicht beigestanden und ihnen unseren polizeilichen Schutz verweigert hatten. Wir können nicht wieder gutmachen, was einst geschah, doch wir können verhindern, dass es einst nochmals geschieht an jüdischen wie auch an allen anderen Menschen. Unser Gedenken soll uns diese Verpflichtung an jedem Tag des Jahres bewusst machen.
Video auf Youtube - Landeshauptstadt gedenkt der Opfer der Novemberpogrome
Die Polizei will ältere historische Polizei-Gebäude aufgeben, entsorgt sie ihre Geschichte?
Die Essener Polizei will ihr angestammtes Gebäude an der Büscherstraße verlassen. Es sei zu klein, heißt es. Kommunikation und Zusammenarbeit würden leiden, wenn nicht alle Dienststellen in einem Gebäude oder doch wenigstens benachbart untergebracht wären, so das Argument. Auch aus Duisburg hört man Ähnliches. Dass Polizeigebäude nicht mehr modern seien, darüber ließe sich streiten; dass sie zu klein sind, ist nicht neu. Alle Polizeibauten und -unterkünfte haben selten für längere Zeit ausgereicht, wie jeder Blick in die Polizeigeschichte lehrt. Hatten Information und Kommunikation entscheidend gelitten?
Gedenken an den 16.4.1945 und die Männer der „Aktion Rheinland“
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16. April 2022, Karsamstag, Tag der Grabesruhe: „hinabgestiegen in das Reich der Toten“ heißt es im christlichen Glaubensbekenntnis:
Es ist der Tag, an dem sich das todesmutige Aufbegehren beherzter Männer damals, am 16. April 1945, aufs Neue jährt. An sie, die Ermordeten wie auch die anderen Mitstreiter, soll erinnert werden. Sie wollten die Stadt und die noch in ihr lebenden Menschen vor einem letzten schweren Angriff der alliierten Streitkräften vor der Eroberung der von ihnen bereits eingeschlossenen Stadt bewahren. Sie waren, eine beabsichtigte völlig widersinnige „Verteidigung bis auf letzten Mann“ zu verhindern, in ihrer „Aktion Rheinland“ gegen die örtlichen Potentaten des in den letzten Zügen liegenden NS-Regimes aufgestanden.
Fünf von Ihnen haben es mit dem Leben bezahlt: Sie wurden bei einer Gegenaktion unverbesserlicher Nationalsozialisten in Partei, Polizei und Militär, die die Stadt bis zum letzten Mann verteidigen wollten, verhaftet, in Standgerichten eilig zum Tode verurteilt, noch in der Nacht erschossen und verscharrt. Am selben Tage hatte der militärische Oberbefehlshaber des bis auf Düsseldorf und seine nahe Umgebung geschrumpften Ruhrkessels, Generalfeldmarschall Model, mangels allem, was zu weiterer Verteidigung notwendig war, angeordnet, allen militärischen Widerstand zum 17. April 1945 einzustellen. An diesem Tag besetzten die amerikanischen Truppen die Stadt - ohne Gegenwehr. Gauleiter Florian, Polizeipräsident Korreng und mancher andere NS-Fanatiker, die die Stadt bis zum letzten Mann hatten verteidigen wollen, hatten sich noch über Nacht heimlich und in Zivilkleidern davon gemacht.
Unter den fünf hingerichteten Männern war neben Karl Kleppe, Theodor Andresen, Josef Knab und Hermann Weill auch der Kommandeur der Schutzpolizei Franz Jürgens. In das NS-Regime durch Eintritt in die Partei früh verstrickt, hatte er das verbrecherische Handeln dieses Regimes und seiner Führer, auch vieler Polizisten und Volksgenossen miterlebt, mitunter in Hamburg, dann in Darmstadt und schließlich in Düsseldorf auch mittun müssen, ohne sich davon ohne Preisgabe seines Berufs trennen zu können.
Durch das mutige Aufbegehren und Handeln der Männer der „Aktion Rheinland“, der Gruppe um Dr. Müller, Dr. Wiedenhofen, Aloys Odenthal, Ernst Klein, Josef Lauxtermann, Karl Kleppe, Theodor Andresen, Josef Knab, Theodor Winkens und Hermann Weil, vielleicht angestoßen und bewogen, hatte er sich dann doch des eigentlichen polizeilichen Ethos, als Schutzmann Menschen vor Gefahren zu schützen, besonnen, alle persönlichen Risiken und Lebensgefahren, die damit verbunden waren, beiseite geschoben und mitgemacht. Mit seinem Mittun bleibt er den anderen Männern der „Aktion Rheinland“ verbunden.
Heute, am 19. April 2022, haben - wie jedes Jahr – die Stadt, die Polizei, Angehörige der Familien Andresen und Odenthal, die Mahn- und Gedenkstätte und der Polizeigeschichtsverein „Geschichte am Jürgensplatz e.V. gemeinsam - und stellvertretend für die Menschen in unserer Stadt - dieser beherzten Männer der Aktion Rheinland gedacht.
Es konnte auch in diesem Jahr nur in einem kleinen Kreis geschehen. Doch es ist wichtig für uns alle, dass es geschieht. In dem Gedenken an die damaligen Tage, an das Leid der Menschen in der belagerten, zerbombten Stadt und das Aufstehen dieser tapferen Männer, um diesem Leid und weiterer Zerstörung ein Ende zu setzen, gingen die Gedanken aller auch an die von Krieg, Belagerung, Bomben und Leid geplagten und weiterhin bedrohten Menschen unserer Tage in der Ukraine, auch an die anderswo auf unserer Erde – wünschend, hoffend, dass der Krieg dort und überall bald ende und wieder und endlich Frieden einkehre.
Vereinsaktivitäten in 2021
Der Vorsitzende des Vereins Geschichte am Jürgensplatz, Michael Dybowski, berichtet in seinem Beitrag zu den zahlreichen Vereinsaktivitäten in 2021.
Alle Einzelheiten lesen Sie hier. (PDF-Datei)
27. Januar 2022 - Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
Erinnerung und Gedenken am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus konnten auch dieses Jahr coronabedingt - neben der Trauerbeflaggung und dem Gedenken im Landtag - nur in kleinem, meist stillen Rahmen oder dezentral stattfinden. So hat die offizielle Kranzniederlegung am Holocaust-Mahnmal in Derendorf, der Stätte des ehemaligen Güterbahnhofs Derendorf und Ausgangspunkt vieler Deportationen aus Düsseldorf, nur mit Wenigen stattgefunden. Umso mehr kam es auf jeden Einzelnen an, Erinnerung und Gedenken und ein öffentliches Zeichen gegen Judenhass und Antisemitismus zugleich in unserer Stadt sichtbar zu machen: wie das Reinigen von Stolpersteinen in den einzelnen Stadtteilen, die Aktion „#LichterGegenDunkelheit“ und im Rahmen der vor einigen Jahren vom World Jewish Congress ins Leben gerufenen und von der Mahn- und Gedenkstätte in einer digitalen Fotoreihe mit Menschen aus der Stadt fortgeführten Aktion “#WeRemember”.
„Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode.“ ?
von Polizeipräsident a.D. Michael Dybowski
„Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode.“ hatte am 24.1.1941 die Journalistin Anna Haag angesichts der vielen von Nachbarn, Bekannten, Freunden um sie herum gedankenlos nachgeschwätzten Popagandasprüche in ihr Kriegstagebuch geschrieben. Und heute? Noch immer gibt es Sympathisanten des NS-Terror- und Unrechtsregimes, noch immer wabert in der Erinnerung an diese Zeit der Gedanke, mitunter auch der bockige Spruch „Aber alles war doch nicht schlecht!“ in vielen Köpfen. Auf die Frage, was denn „nicht schlecht“, vielleicht gar gut gewesen sei damals, bekommt man meist zu hören: Hitler habe den Millionen Arbeitslosen wieder Arbeit gegeben, so durch den Autobahnbau; vielleicht kommt dann noch, man sich hätte auch wieder auf die Straße trauen können oder Anderes - doch schnell erschöpft sich der nachgefragte Erinnerungsschatz.
Gedenken an das, was in der Nacht des 9. November 1938 und an den nachfolgenden Tagen geschah
Auch in diesem Jahr 2021 konnte am Erinnerungs-Mahnmal der einst prächtigen, in der Nacht zum 9. November 1938 von Nationalsozialisten in Brand gesteckten Synagoge in der Kasernenstraße nur ein vereinzeltes Gedenken statt finden.
Im Gedenken an Jeanne Andresen
Jeanne Andresen hat uns verlassen. Eine schwere Krankheit, gegen die sie ebenso tapfer gekämpft hatte wie als Enkeltochter des Widerstandskämpfers Theodor Andresen für das Vermächtnis ihres hingerichteten Großvaters und seiner Gefährten aus dem Kreis der Kämpfer der Aktion Rheinland, war stärker als sie.